Bild / Picture: © Courtesy of Malcolm T. Liepke (USA)
Von Çiğdem Gül
07. November 2015
Teil 1: Die Welt besteht aus der Symphonie des Augenblicks
Die Welt besteht aus der Symphonie des Augenblicks. Und darin steht ein Haus. Allein die Liebe ist das Haus, in dem wir wohnen dürfen. Es ist der Ort, an dem die Liebe beginnt. In allen Zimmern sind wir vom zarten Zauber der Liebe umgeben. Unser Herz öffnet sich dem Zauber, der in allem verborgen ist. Wir beginnen, mit unseren Farben andere Herzen und Seelen zu berühren. „Willst Du das Glück kennen lernen, werde so still, dass Du das sich Öffnen der Blüte hörst.“[1] Die tiefste und bedeutsamste aller Berührungen, Verbundenheit und Glück, die wir schenken und annehmen können, ist die innere Resonanz unserer Herzen.
Meine stille Sehnsucht nach dir ist ein Geschenk, das in deinem Herzen leuchtet. Und irgendwann begegne ich dir. Liebe ist Schenken. Und ich schenke mich selbst; mein Sein, meine Gegenwart, meine Aufmerksamkeit, meinen liebevollen Blick zu dir und ich schenke dir mein Herz. Liebe ist in erster Linie nicht mit dir zu leben, sondern, dich zu leben. Wir sind verbunden mit der Quelle und Sinnlichkeit der Liebe. „Mit dir fühle ich mich wie die Häuser, die auf das Meer blicken.“ [2] An Nichts fehlt mir in deiner Nähe. Ich setze meine Liebe zu dir in einem poetischen Rahmen. Du bist meine Heimat und ich bin deine Heimat geworden. Dort ist die Liebe unsere Muttersprache. Mein Glanz entsteht durch deine Liebe in den Tiefen des Augenblicks. Mögen unsere nächsten Augenblicke von ganz besonderen Schwingungen getragen sein. „Du weißt ja, dass jede Nacht meine Stimme durch die Stille der Bäume gehend zu dir kommt.“ [3] Dabei flüstern die Blätter deinen Namen. Blatt für Blatt. Liebe ist eine mitfühlende und frische Freude. Liebe ist, auch aus der Ferne deinen Duft in der Nase zu haben. Liebe ist, überall dich zu sehen. DU bist Liebe. Liebe ist, die Ruhe in deinem Herzen zu finden. Du bist mein wahr gewordenes Gebet. So wie ein stolzer Pfau seine langen und leuchtenden Federn ausstreckt und präsentiert, so strahle ich meine Wärme aus und lege sie wie ein wärmender Mantel um dich. Ich erlebe in der gleichen Wellenlänge die innere Resonanz mit dir. Liebe ist das Abenteuer meines Herzens. Wenn die Sinnlichkeit unsere Liebe umhüllt und beide Herzen Tango tanzen, dann ist es um mich geschehen. Ich bin verzaubert. Mein Seelengarten kann nun aufblühen.
Ich liebe es, dass unsere Seelen bedingungslos miteinander verbunden sind.
Ich liebe es, wenn du mir deine Geborgenheit, Zärtlichkeit, Wärme und auch die Weite deines Herzens schenkst, in dem ich einen Blütenplatz habe.
Ich liebe es, wenn mein Sein und Lächeln eine Freude für dich sind.
Ich liebe es, wenn du im Tanz deines Empfindens verrückte Kusshände in mein Herz wirfst.
Ich liebe es, wenn unsere Seele und Herz Hand in Hand in gemeinsame Erfahrungen verreisen, damit wir unsere Erinnerungen schreiben können, um irgendwann auf sie zurückzublicken. Wir erleben unsere gemeinsamen Augenblicke durch viele kleine Ewigkeiten.
Ich liebe es, wenn sich meine Gedanken an dich schmiegen.
Ich liebe es, wenn bei unserem nächtlichen Spaziergang über uns das Lächeln im Gesicht des Mondes und die Sterne aus einem klaren Nachtblau funkeln.
Ich liebe es, wenn in der sanften und liebevollen Stille unseres Seins unser Schweigen alles umarmt.
Ich liebe es, wenn du mich wie eine weiße Taube in deinen Händen hältst, mich streichelst, küsst und mich dann in die Freiheit fliegen lässt. Ich bin sehr freiheitsliebend, so wie die Liebe.
Ich liebe es, wenn du mich auf meinem Flugweg mit deinen Gebeten beschützt.
Sei dir gewiss, dass ich zu dir zurückfliegen werde.
Unser Wiedersehen wird ein Freudenfeuer der Welt sein; entfacht durch meine Seele. Das Feuer verbrennt deine Seele nicht, es wärmt sie. Wir fühlen uns nahe, ohne Besitzansprüche an dem Anderen zu haben. Liebe heißt, viel voneinander zu halten, ohne einander festzuhalten. Die wahre Liebe verliert man nicht, auch wenn wir uns aus den Augen verlieren sollten. So, dass die einzige Sicherheit in der Liebe die Liebe selbst ist. Und daran können wir unser Vertrauen ausrichten.
Teil 2: Wie fühlt sich Liebe an?
„Eigentlich unbeschreiblich, aber… Liebe verleiht Flügel. Unsichtbare, federleichte, anschmiegsame Schaumstoffflügel, die dich um die ganze Welt fliegen lassen und durch Träume, manchmal durch Illusionen, aber immer in andere Dimensionen. Die Liebe schrieb das Buch der Sehnsucht, der erfüllten und unerfüllten, aber in jedem Fall die Geschichte von Helden und Engeln und dem Gefühl von Geborgenheit und innerer Ruhe. Und von innerem Zerplatzen, vom Explodieren, das Kapitel der frisch Verliebten liest sich wie ein Märchen. Sie legt sich als leichter Schimmer auf Haut und Haare, ganz besonders glänzt sie in den Augen, schau doch mal Verliebten in die Augen (!) Sie lässt dich tanzen statt gehen, singen statt reden, leben statt leben lassen. Liebe schenkt Freiheit und Lachen, bringt Enge und Tränen, in schlechten Zeiten. Sie lässt sich niemals einfangen, sie lässt sich nur finden, doch niemals suchen. Sie ist das höchste der Gefühle, die Königin der Emotionen, verzaubert und belebt, schmeckt so wunderbar süß-sauer und verführerisch, wie Sommersonne, wie heiße Küsse. Sie hat die Frühlingsgefühle erfunden und das Verlangen und das unvergleichliche nebeneinander Aufwachen, Hände die sich halten, über Haare und Wangen streichen. Sie benebelt dir die Sinne, nimmt dir den Atem, lässt dich aufatmen. Liebe fühlt sich an wie Glück. Glück ist unbeschreiblich.“[4]
„Das Herz weiß nicht, wie der Verstand weiß. Das Herz weiß durch Berührung; der Verstand weiß durch Distanz. Je mehr sich das Herz der Berührung öffnet, desto mehr weiß es. Berührung entfacht nicht einen Prozess der Erkenntnis im Herzen, sondern im Herzen ist Berührung Wissen. Je tiefer das Herz berührt ist, desto tiefer ist das Wissen; und je tiefer das Wissen ist, desto weniger Worte gibt es, mit denen der Mensch es fassen und ausdrücken kann. Denn in der tiefsten Tiefe des Herzens herrscht völliges Schweigen und völliges Verstehen. […] Wer auch nur für einen einzigen Augenblick eingetaucht ist in das wahre Wesen der Liebe, weiß, dass er nur in diesem Augenblick gelebt hat. […] In jeder Liebe, die dich streift, welcher Art sie auch sei, sieh die Liebe selbst. Wenn dich schöne Augen bezaubern, wisse, dass es die Liebe selbst ist, die dich grüßt. Wenn du vor Sehnsucht zergehst, wisse, dass es die Liebe selbst ist, die dich zergehen lässt. Wenn du jubelst in der Freude der Verliebtheit, wisse, dass es die Liebe selbst ist, die jubelt aus Freude an sich selbst, Wenn du verletzt wurdest von deinen Geliebten, wissen, dass es die Liebe selbst ist, die den Streich gefühlt hat. […] Wenn Sehnsucht dein Herz zerreißt, so ist die Liebe am Werk, um es zu weiten. Nur Liebe ist wahr, alles andere ist Traum. Halte dich an die Liebe nicht an den Traum.“ [5]
Wenn wahre Liebe im Spiel ist, dann gibt es immer ein Wunder. Die Liebe zeigt uns Wege, wo vorher keine waren.
Die Liebe fühlt sich bei Kopfmenschen anders an als bei Gefühlsmenschen. Die Kopfmenschen spüren das Verliebtsein, die Liebe, Liebeskummer, Sehnsucht und Schmerz etc. nicht so intensiv, nicht so überwältigend und nicht so lange anhaltend wie die Herzmenschen. Die Gefühlsmenschen haben nicht nur Zugang zu ihren Gefühlen und leben sie aus, sondern sie beherrschen auch die Sprache der Gefühle. Das müssen reine Kopfmenschen wie ein Baby bei Null beginnend erst erlernen. Und im Laufe der Zeit – das dauert erfahrungsgemäß viele Jahre – entwickelt der Kopfmensch zunehmend seine Sensibilität und Gefühlssprache. Gefühle und Verstand gehören nun mal zusammen; daher ist ein Gleichgewicht zwischen den beiden stets herzustellen. Mit Hilfe des Verstandes sollten die Gefühle verstanden werden, und mit Hilfe der Gefühle sollte der Verstand überprüft werden.
Bild / Picture © Courtesy of Aq Arif (Karatschi/Pakistan). He painted a portrait of turkish-based artist Canip Taşkıran (Izmir/Turkey)
Teil 3: Was ist die Liebe?
Die Aufklärung des Phänomens Liebe ist von großer Bedeutung für das gesamte Leben eines Menschen, für die psychische Gesundheit und das Lebensglück. Wir sind als Mensch mit der Fähigkeit zur Liebe geboren. Sie ist zugleich die schönste Begabung der Welt; ein Samenkorn, das gewässert und gepflegt werden muss. Liebe ist überlebenswichtig. Wir alle brauchen Liebe; daher unser Streben nach ihr. Die Liebe spielt die Hauptrolle in unserem Leben. Darüber sind sich auch die weltlichen, spirituellen und religiösen Denker einig.
Auf meiner Kulturen- und Lebensreise habe ich gelernt und in der Außenwelt bei anderen Menschen erlebt sowie beobachtet, dass Liebe vieles sein kann; der einzige Sinn des Lebens, ein unbeschreiblich schönes Gefühl, ein Schmetterling auf der Schulter und viele Schmetterlinge im Bauch, die bleibende Seelenbegegnung, ein Blick, Geborgenheit, innere Berührung und Resonanz, Schweigen, Wunder, Hingabe, Leidenschaft, Begierde, tiefe Freundschaft, Wohlwollen, Fürsorge, ein Zuhause, ein Versprechen, ein Computeralgorithmus, eine Brücke zwischen zwei oder mehreren Kulturen, gefüllte Weinblätter, Privatsache, Elternsache, Verwandtschaftssache, Mentalitätssache, ein Schwur vor Gott, Schmerz, Narben, Gefühlskriminalität, Tränen, Trotz, Protest, Verbrechen, Projektionsfläche, Status, Erinnerung, emotionale und/oder ökonomische (Un-)Abhängigkeit. Liebe ist vor allem Arbeit. Arbeit an sich selber. Jede Beziehung, die wir eingehen, ist eine Hausaufgabe, an der wir noch nicht gearbeitet haben.
Gesunde Liebe macht uns glücklich. In der buddhistischen Lehre bedeutet zu lieben, „in der Lage sein, Glück zu bringen, Glück zu schenken, Leiden zu erleichtern, Freude zu schenken und alle Arten von Trennungen und Ausgrenzungen zu überwinden“ [6]
In der Einfachheit liegt der Schlüssel zur Entstehung der Liebe zwischen zwei oder mehreren Menschen. Die Liebe ereignet sich sensitiv und leise in einem Moment der Wachheit, Lebendigkeit und Ruhe zugleich. In diesem Augenblick ist es entscheidend, ob du dein zittriges Herz in die Hände der geliebten Person legst oder für dich behältst. Mangelnde und/oder negative Vorerfahrungen und Selbstliebe, Moralvorstellungen, Angst und Unsicherheit lassen dein Herz noch intensiver zittern.
“Iki insan bakışınca farkeder
aşkın giysilerden ve adlardan soyunmak olduğunu.”
„Erst, wenn sich die Blicke zweier Liebende treffen,
werden sie feststellen,
dass Liebe das Ausziehen von Kleidung und Namen bedeutet.“ [7]
Die wahre Liebe macht keinen Lärm. Sie berührt leise das Herz des Anderen. Die Liebe kann nicht im Denken und in Zwang wachsen. Sie braucht die absolute Freiheit, um sich gesund zu entfalten. Je mehr die Liebe in dir wächst, desto mehr wächst auch deine Schönheit; denn die Liebe ist die Schönheit der Seele. Die gesunde Liebe lebt vom Geben.
„Wer wenig liebt, wird wenig geliebt.
Wer viel liebt, wird viel geliebt.
Wer unendlich viel liebt, wird auch unendlich viel geliebt.“ [8]
Die letzte Wahrheit ist die LIEBE.
In der Tiefe dieser Wahrheit ist kristallklare und strahlende Klarheit.
Klarheit darüber, dass die Liebe die höchste Macht des Universums ist.
Teil 4: Die Kunst des Liebens
Liebe heißt vor allem die Liebe zu sich selbst. Wir verlieben uns eigentlich nie in eine andere Person, sondern in uns selbst, in den eigenen Anteil von uns selbst in der Seele des Anderen. Andere Menschen spiegeln eigentlich uns selbst wieder. Sie spiegeln unsere eigenen Anteile, die wir z. B. an uns wahrnehmen, vermissen und für uns wünschen. Umso schöner ist es, wenn die Gegenwart eines bestimmten und besonderen Menschen für uns Heimat bedeutet, bei dem wir uns Zuhause fühlen. Jedes Gespräch mit diesem Menschen ist für uns ein seelischer Seychellen- Urlaub, bei dem wir die positiven Energien fließen, unsere Seele fallen lassen und innerlich auftanken. Ja, indem wir diesen besonderen Menschen begegnen, begegnen wir uns selbst und spüren wir sehr wir diesen Menschen lieben, weil er uns unsere Selbstliebe und positiven wie ersehnten Anteile spüren lässt.
„Wenn du die Liebe suchst, er.finde sie in dir.
Dann wird sie eines Tages aus dir heraus kommen
und sich reflektieren, in jedem gegenüber
der dir wirkLICHT Spiegel sein will.“ [9]
Die Selbstliebe ist der Grundstein für die Liebe zu anderen. Die gesunde Liebe wird aus der gesunden Selbstliebe geboren. Wer sich selbst nicht lieben kann und sich selbst ein Gefühl des Glücks nicht schenken kann, ist auch nicht in der Lage, andere Menschen zu lieben. Menschen, die aus einem intakten und liebevollen Elternhaus stammen und folglich positive Beziehungsmuster entwickeln konnten, haben die Selbstliebe als etwas Natürliches entwickeln können. Menschen, ich aus einem zerrütteten und schwierigen Elternhaus stammen, konnten weder Urvertrauen noch gesunde Selbstliebe entwickeln. Ihre destruktiven Beziehungsmuster begleiten sie solange, bis sie daran innerlich und ggf. mit professioneller Hilfe arbeiten. Achtsam mit sich selbst umgehen, gibt unglaublich viel Sicherheit und damit Geborgenheit. Niemand ist verantwortlich für unser Glück. Jeder von uns muss also selbst die Verantwortung für sein Glück tragen und sein inneres Vakuum, also Liebestank, auffüllen. Ich habe im Laufe meines Lebens unzählige Menschen kennengelernt. Eine Vielzahl von ihnen trug ein verschlossenes, vernarbtes und unterdrücktes Herz. Auch für sie ist es möglich, das gesunde Beziehungsmuster zu entwickeln und die gesunde Selbstliebe zu erlernen. Umarme deine inneren Kritiker und deine innere Strenge zu dir selbst, damit sie leiser, ruhiger und irgendwann klein werden. Umarme deine Bedürftigkeit und begegne jeden Tag deinem inneren Kind achtsam. Wenn es dich braucht, umarme es, halte es und tröste es innerlich. Das innere Kind lebt in jedem von uns. Das innere Kind ist die Verbindung zum Selbst. „Ich“ ist nicht dasselbe wie „Selbst“. Du bist seine Bezugsperson. Das innere Kind ist ein unabdingbarer Teil unserer Seele, es spiegelt unsere positiven und negativen Gefühle wie Freude, Lachen, Trauer, Schmerz, Leid, Angst und Wut wieder; darum ist es sehr bedürftig und braucht die Hilfe des inneren Erwachsenen. All´ das, was du als Erwachsene in deiner Kindheit und Jugend erlebt hast, ist als Raster gespeichert. Es gibt immer wiederkehrende Dinge, die du bereits in deiner Kindheit erlebtest, wenn du z. B. verletzt oder unterdrückt oder nicht ernst genommen wurdest. Erlebst du nun als Erwachsener solche Situationen. so werden alte Erinnerungen wach, du fühlst dich in die damaligen Gefühle des kleinen Kindes zurückgeworfen, bewusst oder unbewusst. Mit dem Unterschied, dass du nun eine biologisch Erwachsene bist. Unser inneres Kind ist sehr hilfebedürftig, es kann launisch, grenzenlos, verletzend, ungerecht und hasserfüllt sein, aber es hat durchaus auch seine positiven Eigenschaften und regiert unsere Denk- und Verhaltensmuster. Viele von uns verdrängen es einfach, weil es sehr schwierig sein kann mit ihm auszukommen; dabei ist es einfach nur hilflos und schreit nach Liebe und Anerkennung, die es damals vielleicht nicht ausreichend bekommen hat. Es möchte einfach nur, dass wir uns mit ihm auseinandersetzen und seine Gefühle ernst nehmen.
Erwartungen entspringen der Vergangenheit. Mit jeder Erwartung suchst du Wiederholung dessen, was dein Gegenüber kaum oder nicht erfüllen kann. Neues ist Gegenwart. Umarme deine – auch hohe – Erwartungen und lasse sie dann los. Lasse sie wie ein Vogel davonfliegen und fühle dich frei. Die Liebe braucht keine Erwartungshaltung.
Die gesunde Liebe weiß, dass bestimmte Wünsche nicht erfüllbar sind. Pubertierende suchen in der Liebe ihr Seelenheil. Wenn dieser Wunsch nicht erfüllt wird, fühlt sich der Schmerz wie Sterben an. Pubertierende, aber auch Erwachsene müssen lernen, dass erfüllte Liebe auch ihre Grenzen hat.
Um Freude und Glück in unser Leben zu bringen, rät uns der Buddha, Dinge loszulassen. Das ist eine Kunst. Freude und Glück entstehen aus dem Loslassen.
Als biologisch Erwachsene brauchen wir für eine gesunde und erwachsene Liebe die pure Liebe selbst; jedoch nicht die bedingungslose Liebe. Die bedingungslose Liebe empfindet ein erwachsener Mensch nur Babys gegenüber. Die Babys haben keine Lebenserfahrung. Sie haben sich noch nicht so weit entwickelt, dass ihre negativen Charaktereigenschaften an Tageslicht gekommen sind. Babys sind niedlich, aber hilflos, deshalb liebt man sie bedingungslos. Erwachsene haben neben den guten Eigenschaften auch negative Eigenschaften, Macken und Fehler. Man kann also in der gesunden Partnerschaft nicht die bedingungslose Liebe einfordern. Wenn biologisch Erwachsene meinen, ihrer/ihrem Partner/in die bedingungslose zu spüren, dann sind sie in ihrer Liebe auf dem Stand eines Kindes.
Die Liebe bzw. die Beziehung wird oftmals mit der eigenen Vorgeschichte bzw. negative Vorerfahrungen überfrachtet. Sortiere sie. Differenziere und verarbeite sie.
Die Liebe braucht die Basis einer Gewaltfreien, also achtsamen und bedürfnisorientierten, Kommunikation (GFK). Berücksichtige bitte, dass Männersprache sich sehr von der Frauensprache unterscheidet. Erkenne zusätzlich deine eigene Liebessprache und gleiche sie mit der Liebessprache der geliebten Person ab. Beispiel: Wenn dein/e Partner/in nie gelernt hat, ihre/seine Liebe über die verbale Sprache zu kommunizieren, dann schaue auf ihre/seine Handlungen, wo sie/er ihre/seine Liebe ausdrückt.
In der Liebe brauchen wir Respekt. Dabei ist zu wissen, dass man sich von der Partnerin/ vom Partner den Respekt jeden Tag neu verdienen muss.
Die tiefe (Seelen-)Liebe ist nicht nur auf eine/n einzige/n Frau/Mann beschränkt. Man kann auch im Herzen die Seelen mehrerer Frauen/Männer gleichzeitig, aufrichtig und sehr lieben. Es muss jedoch nicht bedeuten, dass man mit ihnen allen äußerlich was am Laufen haben muss.
Mit Zweisamkeit, Vertrauen, Hingabe, Zärtlichkeit, Aufmerksamkeit, Hilfsbereitschaft, kleinen Gesten und Geschenken wird eine Beziehung gekrönt. Um in der Zweisamkeit die ungeteilte Aufmerksamkeit zu geben und zu genießen, ist die räumliche Nähe fast irrelevant. In der gemeinsam zu verbringenden Zeit ist emotionale Nähe der entscheidende Faktor. Nichts ist schlimmer, als in der Zweisamkeit und Beziehung die Einsamkeit zu spüren.
Wie müssen verstehen, lernen und verinnerlichen, dass in der Liebe und in einer Beziehung konträre Gefühle wie z. B. Provokation und Dankbarkeit nebeneinander stehen dürfen. Das alles darf Teil einer Beziehung sein. Unsere gesunden widersprüchlichen Seiten sind normal und dürfen auch in der Liebe Bühne finden, um sich auszudrücken.
Eine Beziehung bringt allgemein mit sich, dass man immer ein bisschen emotional „austauschbar“, schutzlos, verletzlich und unsicher ist. In einem normalen Maße, ist also alles in Ordnung. Sobald Verletzung, (auch Androhung von) Gewalt und Unterdrückung im Spiel sind, ist es keine Liebe. Da gilt es, aus der kranken Beziehung dringend – sei es auch mit professioneller Hilfe – auszusteigen. Unsere Grundfigur der Beziehungsgestaltung darf nicht aus Abhängigkeit bestehen.
Die Liebe kennt keine Regeln. Sie ist so frei, dass sie kulturübergreifend, titelübergreifend, geschlechtsübergreifend, körperübergreifend, maskenübergreifend ist. Liebe stellt die Grenzen zur Seite und pfeift auf Moralvorstellungen, welcher Art auch immer. Die einzelnen Moralmaximen sind sehr unterschiedlich und basieren z. B. auf Klasse, Religion, Tradition, Alter, Geschlecht etc.. Sie haben die Gemeinsamkeit, dass sie im Denken verankert sind. Die Moralmaxime versucht, um die Liebe herum einen Käfig von Regeln und Vorschriften zu bauen. Wenn die Liebenden das nicht erkennen und/oder verhindern, wird ihre Liebe irgendwann im Käfig vor Kummer leiden und ggf. eingehen.
Teil 5: Die vielen Kann-Gesichter der Liebe
Es gibt viele Kann-Gesichter der Liebe. Einer davon ist die Sehnsucht und die Reue. Bei einer täglichen türkischen Sendung zur Partnervermittlung beim dem Sender atv in der Türkei, verkuppelt die Moderatorin Esra Erol und ihr Team mit musikalischer Begleitung im Unterhaltungsprogramm Menschen bei der Partnerfindung. Bei der Ausstrahlung am 22.10.2015 war ein über 70-jähriger verwitweter männlicher Gast zu Besuch. Er war ein Kandidat, der in Istanbul lebt und nach 50 Jahren seine erste große Liebe suchte. Er habe ihr damals nie sagen können, dass und wie sehr er sie liebte. Er habe sie damals nicht einmal berührt. Sein größter Wunsch sei es, seine Angebetete vor seinem Tod zu finden und ihr einmal sagen zu können, dass er sie liebt. Seine erwachsene Tochter saß mit im Studio und unterstützte ihren Vater. Und immer, wenn er in der Öffentlichkeit beim Spaziergang jungen Paaren begegnen würde, so würde er zu ihnen gehen und ihnen von seiner Geschichte erzählen. Zudem würde er ihnen unaufgefordert den Rat geben sagen, dass sie zu ihrer Liebe stehen und diese offenbaren sollten.
Mit dieser Geschichte des älteren Herrn möchte ich zum Ausdruck bringen, dass wir – ohne an Erwartungshaltungen und Bedingungen geknüpft – dem Menschen, den wir sehr lieben, unsere Liebe kommunizieren sollten.
Zu lieben heißt, sich die Zeit zu nehmen, tief zu schauen, um die Sehnsucht und die weiteren Kann-Gesichter der Liebe wie das Leiden und die Schwierigkeiten zu verstehen.
Bild / Picture © Courtesy of Dmitry Spiros (Tashkent/Uzbekistan)
„Portakallar kokladım, kokunu unutayım diye
içimde yüz yıldır üflenmemiş bir sigara dumanı
gökte `ağlamış çocuk gözü rengi´ solgun bir ay.
çocukken sana ağlamışım meğer hep
senin yanaklarınmış o dondurmalar.
bindiğim ilk mavi bisiklet:
gözlerinmiş o da.“ [10]
„An Apfelsinen habe ich gerochen, um deinen Duft zu vergessen
In mir ist ein Zigarettenrauch, der seit hundert Jahren nicht gehaucht ist
Am Himmel steht der Mond wie die Farbe des geweinten Kinderaugen
Als Kind habe ich indessen nach dir geweint.
Die Eiskugeln meiner Kindheit waren deine Wangen gewesen.
Das blaue Fahrrad, das ich erstmals fuhr,
waren deine Augen gewesen.“
Glück steht in engem Zusammenhang mit Leiden. Wenn wir nicht nachfühlen können, was Leiden ist, können wir Glück nicht verstehen. Also ist das Begreifen und Verstehen von Leiden die Voraussetzung für das Entstehen von Glück.
Blatt im Wind
„Lass´ mich das Pochen deines Herzens spüren,
Daß ich nicht höre, wie das meine schlägt.
Tu vor mir auf all die geheimen Türen,
Da sich ein Riegel vor die meinen legt.
Ich kann es, Liebster, nicht im Wort bekennen,
Und meine Tränen bleiben ungeweint,
Die Macht, die uns von Anbeginn vereint,
Wird uns am letzten aller Tage trennen.
All meinen Schmerz ertränke ich in Küssen.
All mein Geheimnis trage ich wie ein Kind.
Ich bin ein Blatt, zu früh vom Baum gerissen.
Ob alle Liebenden so einsam sind?“ [11]
Mascha Kaléko
Es gibt des Weiteren die folgenden Kann-Gesichter der Liebe:
– die Sehnsucht nach Liebe: Sie wird über (Lebens-)Kampf in Schach gehalten
– zwei Liebende, die aufgrund ihrer verhindernde Lebenskontexte nicht zusammenkommen können
– die einseitige Liebe
– die kompromislose Liebe
– der Wunsch, die Erwartung und die Forderung, in der Beziehung „ausschließlich“ gesehen und geliebt zu werden
– Verschmelzung in der Beziehung ohne anschließende Autonomie
– Hassliebe: Hassliebe überdeckt das Liebesbedürfnis mit dem Stolz. So nach dem Motto: Lieber hasse ich, als dass ich meine Bedürftigkeit spüre.
– Missbrauch der Liebe, um sich zu schützen, andere zu manipulieren und Schuldgefühle zu wecken
– Beziehung ohne Liebe, dafür mit Materiellem und Status
– Nähe-Distanz-Problem
– Liebe als Elternersatz
– Gefühlskriminelle: Missbrauch von Herzen
– Abschied/ Trennung aus und in Liebe
Jeder von uns begegnet irgendwann einer dieser Kann-Gesichter der Liebe. „Im tiefsten Schmerz ist die größte Liebe verborgen. In der größten Liebe ist der größte Schmerz verborgen. Nimm du beides an: den Schmerz und die Liebe, so findest du Glück.“ [12] Die größte Heilung und Entwicklung finden über den größten Schmerz statt. Sei nicht traurig, wenn deine Liebe noch nicht die gesunde Erfüllung gefunden hat. Auch du wirst dich irgendwann selbst sehr lieben und dich auf Händen tragen. Schaue dich nicht nur im Spiegel an. Schaue dir die Sterne, den Mond und die Sonne an. Erkenne dich selbst, denn…
„Da ist ein Land der Lebenden und ein Land der Toten,
und die Brücke zwischen ihnen ist die Liebe
– das einzig Bleibende, der einzige Sinn.“ [13]
– Ende –
© Çiğdem Gül – 07. November 2015
Gründerin des „Intercultural Network For The Highly Gifted“
Diplom-Ökonomin
Interkultureller Coach für Hochbegabte & Hochsensible
Online Marketing Managerin
Freie Journalistin
Bild / Picture © Courtesy of Malcolm T. Liepke (USA)
Fußnoten
[1] Die Quelle des Zitats ist eine japanische Weisheit.
[2] Ilhan Berk (*18.11.1918, † 28.08.2008) war ein bekannter türkischer Dichter und Essayist. Deutsche Übersetzung des Zitats: Çiğdem Gül
[3] Paul Auster (*03.02.1947) ist ein US-amerikanischer Schriftsteller, Regisseur, Kritiker, Übersetzer und Herausgeber.
[4] Judith Suchowitzki ist eine deutsche freie Autorin.
[5] Safi Nidiaye (*1961 in Freiburg) ist einer der meist gelesenen deutschsprachigen spirituellen Autoren, Chansonsängerin, Liedermacherin, Journalistin, Schriftstellerin, Dichterin und Seminarleiterin. Die Quelle des Textauszüge basiert auf ihrem Buch „Die Stimme des Herzens: Der Weg zum größten aller Geheimnisse“
[6] Thích Nhất Hạnh (*11.10.1926 als Nguyễn Xuân Bảo in Thừa Thiên, Zentralvietnam) ist ein vietnamesischer buddhistischer Mönch, Schriftsteller und Lyriker. Thích ist ein Titel vietnamesischer Mönche. Die Zitatquelle ist die Zeitschrift „Intersein“ für achtsames Leben in der Dhyana – Tradition von Thich Nath Hanh, Ausgabe Nr. 38, Mai 2011)
[7] Octavio Paz (*31.03.1914, † 19.04.1998) war mexikanischer Schriftsteller, Dichter, Diplomat und Nobelpreisträger für Literatur. Deutsche Übersetzung des Zitats: Çiğdem Gül
[8] Gregorian Bivolaru (*12.03.1952) ist ein spiritueller rumänischer Gelehrter.
[9] Gregor Goller: Scribamus 5: Aus 33 Blüten des Beg.reifens
[10] Anıl Can ist ein türkischer Dichter. Die Strophe basiert auf das türkischsprachige Gedicht „Vagonlar Portakal Dolu“/ „Die Waggons sind voller Apfelsinen“. Deutsche Übersetzung des Zitats: Çiğdem Gül
[11] Mascha Kaléko (*07.06.1907 in Polen † 21.01.1975 in der Schweiz) war eine deutschsprachige, der Neuen Sachlichkeit zugerechnete Dichterin
[12] Safi Nidiaye (*1961 in Freiburg) ist einer der meist gelesenen deutschsprachigen spirituellen Autoren, Chansonsängerin, Liedermacherin, Journalistin, Schriftstellerin, Dichterin und Seminarleiterin. Die Quelle des Textauszüge basiert auf ihrem Buch „Die Stimme des Herzens: Der Weg zum größten aller Geheimnisse“
[13] Thornton Wilder (*17.04.1897, † 07.12.1975) war ein US-amerikanischer Schriftsteller. Zitatquelle: „The Bridge of San Luis Rey“ (1927), Die Brücke von San Luis Rey, deutsch, 1929