DEUTSCHLAND: Angelika Wende: Außenseiter


Celal Günaydin
 
 
 

Außenseiter

 
 

Außenseiter – das sind diejenigen, die beim Sport zuletzt ins Team gewählt werden, die auf keine Party eingeladen werden, die als Streber verschrien sind, die die „falschen“ Klamotten tragen und die nach der Schule alleine nach Hause gehen. Das sind die, die auf irgendeine Weise anders sind oder anders aussehen, die eine andere Hautfarbe, eine andere Religion haben, oder andere Überzeugungen haben, die zu dick, zu dünn, zu klein, zu groß, zu dumm, zu klug sind.

Das sind die Andersartigen, die man nicht dabei haben will, die suspekt sind oder seltsam, deren Ideen, Überzeugungen, Interessen und Hobbies keiner nachvollziehen kann. Das sind die, die gegen den Strom schwimmen. Das sind die, die man mobbt und quält, denen man hinterherlacht, über die man herzieht, offen oder hinter vorgehaltener Hand, über die man Witze macht, auf die man mit dem Finger zeigt, denen man die Zunge heraustreckt, denen man die Schuld gibt, wenn etwas schief läuft und die man aus der Gemeinschaft ausschließt.

Das sind die, das Rudel ausgrenzt, die man stigmatisiert, diffamiert, sanktioniert und isoliert.

Mit einem Satz: Das sind die, denen man klar macht: Du kommst hier nicht (mehr) rein!

Das sind auch die, die sich unter Druck gesetzt fühlen und diesen Druck dann in Gewalt entladen und das sind auch die, die Amok laufen oder sich selbst zerstören.

Aber das sind auch die Nonkonformisten, die Randständigen, die Exzentriker, die Freaks, die Aussteiger und die introvertierten Eigenbrödler, die die bewusste Selbst-Abschottung wählen. Das sind die, die Außergewöhnliches zu leisten im Stande sind, die, egal auf welchem Gebiet, sei es Wissenschaft, Medizin, Psychologie, Philosophie, Religion, Literatur, Musik und Kunst Großartiges erschaffen haben, ohne das die Menschheit nicht da stünde wo sie steht. Das waren und das sind Menschen, die gegen den Trend und die Überzeugungen der Massen schwammen und schwimmen. Das sind Menschen die ihre Ruhe brauchen, die die Stille suchen, die tief denken und viel fühlen, die introvertiert oder hochsensibel sind und mehr im eigenen Inneren als im Außen leben. Das sind auch die, die nie eine äußere Heimat hatten und sich eine innere Heimat erschaffen.

Außenseiter spüren: Es gibt keine Verankerung im Außen, es gibt nur die Verankerung in mir selbst. Möge sie denn gelingen.
Denn gelingt diese innere Verankerung nicht, ist der Mensch verloren. Wenn Verbundenheit fehlt, wenn Flucht und Exil, innen oder außen, notwendig ist, wenn man vertrieben ist aus der Gemeinschaft, wenn nichts mehr von Außen Halt gibt, wenn es an äußerer Sicherheit und Geborgenheit im Schoß der Gemeinschaft fehlt, wenn der Mensch sich von allem und allen verlassen „in die Welt geworfen“ fühlt, dann wird die Welt fremd und leer. Dann sind da Kälte und Angst, wo Wärme und Beziehung sein sollten, Einsamkeit und Verlassenheit wo Verbundenheit sein sollte, und Zurückweisung und Feindseligkeit, wo Zuneigung und Liebe sein sollten. Dann ist die Heimat ein vergifteter Ort. Dann begreifen wir, dass wir nirgendwohin gehören und wir begreifen auch, dass wir niemanden gehören, außer uns selbst.
Und dann die Frage: Was jetzt? Was mache ich jetzt? Was bedeutet das jetzt für mich und mein Leben?
Dann beginnen wir der Verlorenheit nachzuspüren und suchen nach dem, was helfen könnte, Heimat zu finden, in uns selbst.

 

Angelika Wende – 05. Dezember 2021 (Deutschland)

Coach, Stimm- und Sprechtrainerin, Rednerin, Moderatorin, Autorin, Malerin

www.wende-praxis.de

 
 

Kunstbild © Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Musikers Celal Günaydın (Denizli/Türkei)

Facebook – Celal Günaydın

 
 
 

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