Kulturelle Unterschiede in der Wohnbiografie


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Cultural differences in residential biography


 
 

TEIL I:

Wir spiegeln unsere Kultur auch durch unsere Wohnbiografie. Unsere Wohnungseinrichtung kann sehr viel über uns und über unseren kulturellen Hintergrund aussagen. Ich möchte zunächst mit eigenen Erfahrungswerten kurz beleuchten, welche Unterschiede mir bisher aufgefallen sind und welche typischen Möbel oder Gegenstände ich in Wohnungen der unterschiedlichen Herkunftskulturen und anderen Ländern beobachten und feststellen konnte. Unsere Wohnungseinrichtung kann sehr viel über uns und über unseren kulturellen Hintergrund aussagen. Ich möchte zunächst mit eigenen Erfahrungswerten kurz beleuchten, welche Unterschiede mir bisher aufgefallen sind und welche typischen Möbel oder Gegenstände ich in Wohnungen der unterschiedlichen Herkunftskulturen und anderen Ländern beobachten und feststellen konnte.

Wie richten Menschen in unterschiedlichen Kulturen ihre Wohnungen ein? Wie sieht z. B. das türkische Wohnzimmer in Deutschland aus?

In der Regel wird der Geschmack der Wohnungseinrichtung im sozialen Austausch mit anderen kulturellen Gruppen entwickelt, aber hier fehlte für die Türken in Deutschland der Zugang zu anderen Modellen für die Inneneinrichtung; die türkischen Arbeiter kannten in den 70er, 80er, vielleicht sogar bis in den 90er Jahren die Wohnungen ihrer deutschen Nachbarn, Freunden und Kollegen und die feinen Unterschiede der Inneneinrichtung n i c h t und haben daher ihren Geschmack ziemlich isoliert entwickelt. Die Türken kommen aus einem Land mit einer großen Teppich-Tradition. In den Wohnungen der türkischen Familien hingen daher z. B. in den 70er, 80er Jahren in Deutschland die typisch feinen „Teppiche“ an der Wand. In den meisten türkischen Haushalten waren die Möbel im Verhältnis zu der Raumgröße zu groß…zu große Schränke… zu großer Esstisch… eine sehr große Couchgarnitur, weil sie in der Einrichtung auch die hohe Anzahl der Familienangehörige und Gäste berücksichtigen. Das Kollektiv-Denken wird auch hier widergespiegelt. In einigen, in Deutschland lebenden, türkischen Wohnbiografien stelle ich fest, dass die Wanduhren eine zunehmend große Bedeutung gewinnen. Während z. B. meine Eltern damals in Anatolien ihr Zeitgefühl nach der Natur richteten und folglich keine Uhren besaßen, erhöhte sich die Anzahl ihrer Wanduhren in Deutschland. Heutzutage ist die Wohnkultur der Türken weitgehend angepasst an die westliche Kultur: modern und geschmackvoll.

Während meiner zweijährigen Tätigkeit als Förderlehrerin für Schüler italienischer Herkunft,die ich teilweise in ihren Wohnungen unterrichtete, fiel mir auf, dass a u s n a h m s l o s in allen, sei es auch nur ein kleines, Fernsehgerät aufgestellt war. Ein Fernsehgerät in der Küche gehöre zur typischen Wohnkultur der Italiener. Dies konnte ich aber bei den italienischen Nachbarn meines Elternhauses seit der 70er Jahren kein einziges Mal feststellen.

Während meiner Rundreise in Thailand bestätigte uns der thailändische Reiseführer, dass in jeder Thai-Wohnung eine Buddha-Skulptur und/ oder ein Geisterhäuschen aufgestellt sei. Mindestens so häufig wie eine Buddha-Statue sehe man ein Bildnis des thailändischen Königs. Es gäbe wohl kaum einen Haushalt, wo kein Königsbild zu finden ist. Und sei es nur eine verblichene Abbildung aus einem Kalender. Der König setze viele Projekte im Land um, welche dem Wohlergehen der ärmsten Bevölkerung im Lande gewidmet seien. Das mache ihn sehr beliebt und populär in Thailand.

In den Wohnungen der Deutschstämmigen fiel mir in den letzten 15 Jahren auf, dass die Deckenlampe zunehmend an Relevanz verliert, d. h. dort stehen fast nur Stehlampen oder gemütliche Tischlampen etc..

Viele Chinesen lieben sie. Amerikaner, Spanier, Portugiesen, Franzosen und ich sowieso: die Kuckucksuhr. Die Uhr besteht aus einem kleinen Vogelhäuschen aus Holz. Oft ist sie mit Schnitzereien verziert. Huuuchhh!…;-) Als Kind war ich immer so aufgeregt, wenn im Elternhaus zur vollen Stunde ein kleines Türchen aufging und ein Kuckuck heraussprang und dieser «Kuckuck» rief, und zwar unterschiedlich oft: um 5 Uhr fünf Mal, um 8 Uhr acht Mal und so weiter. Anschließend verschwand der Vogel wieder in seinem Häuschen. In den deutschen Haushalten ist diese traditionelle Wanduhr dagegen nicht so angesagt.

Ich bin ein großer Fan der indischen Wohnkultur.

Siehe die Homepage von Fischer´s Lagerhaus .
http://fischers-lagerhaus.de/

Wie sieht die Wohnkultur in deinem Herkunftsland aus?

Welche Wohnbiografie hast du als Hochbegabte/r und Hochsensible/r durchlebt?

Welchen Stil hast Du kritiklos übernommen? Wogegen protestiert?

 

TEIL II:

Die andere Frage ist, warum man sich unabhängig von dem kulturellem Hintergrund in der einen Wohnung sofort pudelwohl fühlen kann, aber in einer anderen Wohnung am liebsten die Flucht ergreifen würde. Hierzu fällt mir eine Anekdote aus meiner Bremer-Zeit ein: In Bremen lud mich die Direktorin der Kunsthochschule bei sich zu Hause zum Essen ein. Ich erwartete eine sehr geschmackvoll eingerichtete Wohnung, in der ich mich den ganzen Abend wohlfühlen würde. Die Wohnung war eine reine Galerie mit den wandgroßen abstrakten Kunstbildern. Ich sah überall nur die feinsten Designer-Möbel. Alles war zu perfekt durchkomponiert – denn irgendwie wollte bei mir keine richtige Stimmung aufkommen… Die Kerzen auf dem Tisch ließen die Weingläser funkeln. Und ich wurde das Gefühl nicht los, in einem Designstudio zu sitzen, statt in einem Esszimmer. Beinahe sehnsüchtig dachte ich an dem Abend an anderen Menschen zurück, die zwar ihre Wohnung nicht so luxuriös eingerichtet hatten, aber deren Wohnungen mehr Lebendigkeit Authentizität, Wärme und Geborgenheit ausstrahlten. Diese Wohnungen erzählten mehr von ihren Bewohnern als diese durchgestylten Luxuswohnung. Heute weiß ich, was meiner damaligen Gastgeberin in der Einrichtung ihrer Wohnung fehlte: Die Persönlichkeit. Sie hat sich sicherlich im Fachgeschäft beraten lassen, vielleicht sogar einen Innenarchitekten beauftragt. Doch Authentizität ist nicht eine Frage der Übernahme von Ideen anderer, sondern, dass man selbst auf ein Umfeld aktiv gestalterisch Einfluss nimmt.

 

EIN RAUM WILL EROBERT WERDEN.

In der eigenen Wohnung die Räume zu erobern, heißt zum Bespiel, die Möbel nicht einfach dort zu platzieren, wo es sich auf den ersten Blick hin anbietet. Sondern auszuprobieren: Fühle ich mich in diesem Sessel in der Mitte des Raumes und in der Nähe des Fensters wirklich wohl? Oder doch lieber an der Tür? Zur individuellen Gestaltung des Raumes gehört auch das Integrieren persönlicher Gegenstände, die für uns eine emotionale Bedeutung haben: Ein gerahmtes Foto des eigenen Kindes wirkt viel persönlicher als ein Kunstdruck – auch wenn der Kunstdruck „ästhetischer“ sein mag.

Wann strahlt eine Wohnung für dich Gemütlichkeit und Wohlbehagen aus?

Wie würdest du deine Wohnung einrichten?

 

TEIL III:

DIE EINRICHTUNG VERRÄT VIEL ÜBER VERSTECKTE SEHNSÜCHTE

Die besten Innenarchitekten in der Raumgestaltung sind unsere eigenen Bedürfnisse.

Die Frage ist: Welche Bedeutung hat meine Wohnung für mich und welche Funktionen erfüllt meine Wohnung für mich? Bedeutet die Wohnung… …Schutz? …nur ein Übernachtungsort? …Rückzugsort? …Quelle der Inspiration ? …„Heimat“? …gesellschafticher Treff-Ort? …das Medium für soziale Botschaften? …das Schaufenster meiner Seele?

Welche Funktion wünsche ich mir von meinen Möbeln?

Manche Menschen fühlen sich in einer Höhle geborgen…
…während Andere das Gefühl von Weite brauchen.


Die Vorlieben verraten immer etwas über Sehnsüchte.

 

© Çiğdem Gül – 05/2009 (Text überarbeitet: 01/2018)

 
 
 

Bild / Picture thanks to © Dmitry Spiros (Tashkent/Uzbekistan)

 
 
 

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