NEW YORK, 19. Februar 2015: Während der Mercedes-Benz Fashion Week Herbst 2015 und im Rahmen der Veranstaltung von Art Hearts Fashion Show – präsentiert vom „AIDS Healthcare Foundation Fashion“ im Theater im Lincoln Center läuft dieses Model für die Modedesignerin Hallie Sara über den Runway.
Arun Nevader
Interview mit dem international bekannten und
und außergewöhnlichen US-Fotografen
.
Arun Nevader
lebt und arbeitet in Berkeley / Kalifornien
Ehemaliger Fotojournalist auf Krisen- und Kriegsgebieten in Mittelamerika
(El Salvador, Guatamala etc.)
Internationaler Modefotograf für Getty Images und WireImage
für Fashion Weeks, „Victoria´s Secret“ fashion shows, Runways, Filmfestvals, Presse- und Unterhaltungsbranche
Dozent an der Forschungsuniversität in Kalifornien
Çiğdem Gül
lebt und arbeitet in Wuppertal/Deutschland
Gründerin, Publizistin und Autorin des weltweiten “Intercultural Network For The Highly Gifted“ (INHG)
Diplom-Ökonomin, Change Management Consultant
Business Coach für Veränderungsprozesse im Unternehmen
Freie Journalistin für die Sprachkombination Türkisch, Deutsch, Englisch
Um Seite 1 von 2 des Interviews in deutscher Übersetzung zu lesen, bitte hier anklicken.
Hier: Seite 2 von 2 des Interviews: Aus dem Amerikanischen Englisch übersetzt von © Çiğdem Gül – 16. Juli 2023
30. April 2021
INTERVIEW – 2/2
Çiğdem Gül: Coco Chanel sagte einmal: „Mode ist nichts, was nur in der Kleidung existiert. Mode liegt in der Luft, auf der Straße. Mode hat etwas mit Ideen zu tun, mit der Art wie wir leben, mit dem, was passiert.“ Was bedeutet Mode für Dich? Welche Erkenntnisse hast Du nach über 20 Jahren Arbeit als Modefotograf in der Modewelt gewonnen?
Arun Nevader: Dies ist eine große Frage, deren Beantwortung ein Buch erfordern könnte. Wir haben so viele Möglichkeiten, uns dem zu nähern, was wir unter Mode verstehen. Ich werde eine auswählen, die am allgemeinsten wahr erscheint. Die Gesellschaft wird durch ein Netzwerk von Zeichen zusammengehalten und was diese Zeichen bedeuten – ihre Bedeutung und Auswirkungen auf unsere kollektive und individuelle Erfahrung und Vorstellungskraft. Zeichen und Signifikant prägen zusammen die Welt, die wir um uns herum sehen – alles. Auf diese Weise setzen Gesellschaften kollektive Identitäten für sich selbst ab – durch ihre einzigartigen Ausdrücke der Interpretation dessen, was Zeichen bedeuten. Mode ist einer der schönsten Ausdrücke dieser verbindlichen Beziehung. Aber Mode ist, wie Chanel feststellt, nicht eindimensional. Es ist nicht einfach so, wie wir den Körper anziehen. Mode geht vielmehr tiefer als Marker dafür, wie sich die Gesellschaft in einem fortwährenden Akt des Wandels zeigt. Auf diese Weise spiegelt Mode das Leben auf unserem Planeten als dynamische Kraft für Veränderung und Erneuerung wider – eine Funktion der natürlichen Ordnung von Leben, Tod und Wiedergeburt. Ich denke, das ist es, worauf Chanel abzielt. Mode, ein soziales Konstrukt, das es seit der Aufzeichnung der Menschheitsgeschichte gibt, spiegelt die rhythmischen Veränderungen wider, die Gesellschaften auf natürliche Weise erfahren. Aus diesem Grund fasziniert es mich unter so vielen anderen unendlich. Es ist niemals statisch. es hört nie auf, sich zu bewegen. Die Mode verändert sich ständig und erneuert in einem solchen Wandel ständig unser Interesse an uns selbst und an unserem Körper.
Hier muss ich mein tiefes Interesse an Modegeschichte von meiner Arbeit als Modefotograf für den letzten Teil Ihrer Frage trennen. Als Fotograf fühle ich mich mit der legendären Kleidungsdesignerin Madeleine Vionnet verbunden – wie Vionnet bin ich immer wieder fasziniert von der Vielfalt und Schönheit der weiblichen Form.
Çiğdem Gül: Die französische Designerin Madeleine Vionnet, die Königin der Couturiers, revolutionierte in den zwanziger und dreißiger Jahren nicht nur die Mode, sondern auch die feminine Körpersprache der Frau. Damalige Stars wie Marlene Dietrich trugen mit Vorliebe die eleganten Roben von Vionnet. Diana Vreeland, die ehemalige Chefredakteurin der amerikanischen Vogue, nannte Madeleine Vionnet als die wichtigste Modeschöpferin des 20. Jahrhunderts.
Arun Nevader: Oh, ja!
NEW YORK, 13. Juli 2002: Die US-amerikanische Schauspielerin Heather Locklear auf der „The FOX and The Grapes“ – Ein Benefiz-Essen zu Gunsten der Michael-J.-Fox-Stiftung für Parkinson-Forschung und Parkinson-Institut.
Arun Nevader: »Abgesehen davon, dass ich Zeuge der schieren Pracht einer von ´The Blonds´ produzierten Show geworden bin, kann ich Dir versichern, dass es für einen Laufsteg-Fotografen keine größere Herausforderung gibt, als die künstlichen Fingernägel der Models zu fotografieren, die über den Laufsteg fliegen. Nachdem ich die Technik gemeistert habe, kann ich sagen, dass es wahrscheinlich meine größte Errungenschaft als Fotograf ist, und zum Glück habe ich nicht allzu viele Konkurrenten für das Fotografieren von Fingernägeln.«
Arun Nevader: Ich kann die Anzahl der Modenschauen, die ich im Laufe der Jahre gedreht habe, nicht zählen. Bei Mode geht es mir nicht nur um Kleidung oder Model. Wenn ich ein Modell auf dem Laufsteg sehe, sehe ich mit jedem Blick eine neue Version der Weiblichkeit, und vor allem, um nie wieder gesehen zu werden. Die Show ist auf diese Weise ein Akt der reinen Vorstellungskraft. Das heißt, jedes Outfit, jeder Blick auf den Laufsteg projiziert eine symbolische Version der weiblichen Identität, die sich endlos in einem Akt der Metamorphose befindet. Haben Sie sich jemals gefragt, warum so viele Runway-Shows mit den Brautkleidern enden? Lassen wir die Geschlechterpolitik beiseite. Es bleibt jedoch wahr, dass in westlichen und östlichen Gesellschaften die Gesellschaft vorschreibt, dass das Streben nach menschlicher Erfüllung für Frauen in einer Ehe gipfeln soll. Daher haben wir die Geburtsstunde der Handlung der meisten Komödien. Denken Sie daran, wie alle Komödien von Shakespeare enden, um ein herausragendes Beispiel zu nennen.
Denken Sie an alle Enden von Jane Austin-Romanen, um einen anderen zu zitieren. Denken Sie an all die romantischen Komödien, die Sie auf dem Bildschirm gesehen haben. Wie enden all diese Erzählungen? Sie enden mit einer Hochzeit. Die Modenschau ist genau wie diese Theaterstücke, Romane und Filme. Aber die Modenschau ist mehr – sie wird zum lebendigen, einfallsreichen Raum, in dem wir mehrere weibliche Subjektivitäten erleben, die durch eine Vielzahl von Outfits gezeigt werden, die als Zeichen das Leben bezeichnen, das wir leben, um diesen ultimativen perfekten Moment zu erreichen – wenn die Frau Braut wird. Ich behaupte nicht, dass ich einer solchen Ansicht der menschlichen Erfüllung zustimme, weil ich es nicht tue. Ich bin nur ein visueller Reporter. Die Modenschau ist ein soziales Ritual, das die Bandbreite menschlicher visueller Schönheit zeigt und zu dem letzten Moment führt, in dem die Welt weiß wird und dann die Lichter dunkel werden. Für andere als Runway-Fotograf ist es eine unendlich bemerkenswerte Erfahrung und ein Privileg, für andere diesen eindrucksvollen und schönen, einfallsreichen Raum zu dokumentieren.
NEW YORK – NEW YORK CITY, 07. Februar 2006: Naomi Campbell trägt Heatherette-Mode für die Kollektion Herbst 2006 während der Olympus Modewoche, Herbst 2006 – Heatherette – Laufsteg im Bryant Park.
Çiğdem Gül: Wenn Du in einer Modewoche 12 oder mehr Fashion Shows fotografierst: Du schaffst es problemlos allein an einem einzigen Tag sogar 20.000 Fotos zu machen. Wie schafft man es, beim Fotografieren die Atmosphäre des Augenblicks bestmöglich einzufangen?
Arun Nevader: Wenn ich den Runway fotografiere, bin ich weniger mit der Atmosphäre des Augenblicks beschäftigt, sondern denke vielmehr über die nicht ausreichende bzw. begrenzte Bühnenbeleuchtung nach. Ja, ich kann 20.000 Bilder an einem einzigen Tag mit einem Dutzend oder mehr Shows fotografieren – das ist total anstrengend. Ich komme auf diese Zahl, weil ich leicht zwischen 50 und 100 Bilder für einen einzigen Label-Look in einer Show aufnehmen kann. Wenn man also 30 Label-Looks hat, könnten das leicht 2.500 bis 3.000 Bilder für diese Show werden. Multipliziert man das mit 10 oder mehr, dann ergibt das eine große Summe. Warum so viele Aufnahmen pro Look? Weil mit zunehmender Anzahl an fotografierten Bildern pro Label-Look die Wahrscheinlichkeit größer ist, mit der Kamera etwas Außergewöhnliches einzufangen. Dadurch erreicht man als Fotograf etwas, was andere Fotografen, die weniger Fotos vom selben Look geschossen haben, entgeht. Man muss auf dem Laufsteg den gesamten Look des Models abfotografieren, von Anfang bis Ende des Catwalks. Die Fotokameras sind mittlerweile so schnell, dass es möglich ist, mit 12 Bildern pro Sekunde zu fotografieren und trotzdem mit 100, ja sogar 200 Bildern pro Label-Look das gesamte Outfit abzufotografieren, wenn sich der Aufwand lohnt. Zum Glück habe ich Redakteure! Ehrlich gesagt habe ich während der Fashion Week oft nicht die Zeit und Gelegenheit, alle meine Fotografien zu sichten – die Redakteure sichten alle Shooting-Fotos und treffen die Auswahl für das, was auf der US-amerikanische Bildagentur Getty Images veröffentlicht wird. Zusätzlich zu den Shows muss ich auch den Backstage (Anm. d. Red.: Back of House; der Bereich hinter der Bühne und dem Laufsteg, Runway etc.) und Front of House (Anm. d. Red.: die Bereiche, die für das Publikum zugänglich sind) abfotografieren. Wenn ich die Atmosphäre einfangen und fotografiere möchte, so finde ich diese hinter den Kulissen im Backstage. Ich sollte sagen, dass das Bühnenbild der Show manchmal so großartig ist, dass ich es zusammen mit dem Model festhalten muss. Aber alles in allem konzentriere ich mich zuerst auf das Model und dann auf alles andere, im Gegensatz zu dem, was mir mein Chef vor 20 Jahren beigebracht hat. Jeff Vespa, einer der Gründungsfotografen von WireImage, sagte mir einmal: „Wenn Sie einen Prominenten der A-Liste in der ersten Reihe sehen, vergessen Sie die Show. Gehen Sie auf die andere Seite des Laufstegs und fotografieren Sie die Berühmtheit auf ihrem Sitz in der ersten Reihe, während Sie die Show mit Ihrem langen Objektiv verfolgen. Ich habe gesehen, wie Vespa das einmal mit Britney Spears gemacht hat. Ich mache ihm keine Vorwürfe; sein Foto lief überall. Aber ich fotografiere nicht auf dem Mode-Laufsteg für die Anwesenheit von Prominenten, es sei denn, ich werde beauftragt, die erste Reihe zu fotografieren. Ich bin für Fashion und Models da – meine persönliche Verbindung zu diesen unwiederbringlichen Schönheitsmomenten. Vespa wäre definitiv sauer auf mich, weil ich dieses Promi-Foto verpasst habe!
NEW YORK – NEW YORK CITY, 09. November 2011: Der US-amerikanischer Rapper, Sänger, Musikproduzent und Modedesigner Kanye West tritt auf während der Victoria’s Secret Fashion Show der US- Nobel-Dessous-Label `Victoria’s Secret´ im Jahr 2021 in der Lexington Avenue Armory.
Die einst schillernde US-Modemarke „Victoria’s Secret“ war von 1995 bis 2019 jedes Jahr ein riesiges Show-Spektakel mit Topmodels, Musik-Superstars und Hollywood-Größen in der Front Row gewesen – und sorgte weltweit für beeindruckende Einschaltquoten im TV und hohe Verkaufszahlen. Victoria’s Secret wurde im Jahre 1977 von Roy Raymond in San Francisco, Kalifornien gegründet.
NEW YORK – NEW YORK CITY, 09. November 2011: Das brasilianische Model Adriana Lima läuft über den Laufsteg bei der Finale des Victoria’s Secret Fashion Shows in der Lexington Avenue Armory.
NEW YORK – NEW YORK CITY, 09. November 2011: Das brasilianische Model Adriana Lima läuft über den Laufsteg bei der Finale des Victoria’s Secret Fashion Shows in der Lexington Avenue Armory.
NEW YORK – NEW YORK CITY, 09. November 2011: Das australische Model und studierte Ernährungswissenschaftlerin Miranda Kerr läuft im 2,5-Millionen-Dollar-BH über den Runway während der Victoria´s Secret Fashion Show in der Lexington Avenue Armory.
NEW YORK – NEW YORK CITY, 09. November 2011: Das australische Model und studierte Ernährungswissenschaftlerin Miranda Kerr läuft im 2,5-Millionen-Dollar-BH über den Runway während der Victoria´s Secret Fashion Show in der Lexington Avenue Armory.
FLORIDA – MIAMI BEACH – 15. November 2008: Zur Wiedereröffnung des Fontainebleau Hotels in Miami Beach, das für eine Milliarde Dollar renoviert wurde, findet 2008 die Show der Superlative statt. Das deutsche Model Heidi Klum hat bei der Eröffnungsfeier eine Schlüsselrolle, sie darf zusammen mit dem Besitzer symbolisch das Band zerschneiden.
FLORIDA – MIAMI BEACH – 15. November 2008: Heidi Klum läuft über den Laufsteg für die Victoria´s Secret Fashion Show Fontainebleau Hotel.
NEW YORK – NEW YORK CITY, 09. November 2011: Das deutsche Model und Schauspielerin Antonia „Toni“ Garn läuft über den Runway während der Victoria´s Secret Fashion Show in der Lexington Avenue Armory.
Çiğdem Gül: Ich weiß, dass Du einige Male die Modenschau von Victoria’s Secret fotografiert hast. Wie war das für Dich?
Arun Nevader: Auf diese Frage könnte ich ellenlang antworten, aber ich werde versuchen, die Antwort übersichtlich und simpel zu halten.
Die jährlich stattfindende Modenschau der US-amerikanischen Dessous-Label Victoria’s Secret habe ich fünf Jahre lang begleitet und fotografiert. In den ersten zwei Jahren fotografierte ich für meine Bild-Agentur „WireImage“, später hatte ich dann aber die Ehre, für Herrn Thomas Concordia, dem Hausfotografen von Victoria’s Secret Fashion Show zu fotografieren. Also arbeitete ich für Tom als einer von drei oder vier Hausfotografen in seinem Team mit uneingeschränktem Zugang hinter der Bühne und auf dem Laufsteg. Ich habe Victoria’s Secret Fashion Shows glücklicherweise in ihren weltweit goldenen Jahre fotografiert. Nun haben sich die Dinge bei Victoria’s Secret Fashion Shows geändert. Die Show begann damit, dass es um das Dessous-Label von Victoria’s Secret handelte mit atemberaubenden Models wie Giselle Bündchen und Marisa Miller. Verstehe mich bitte nicht falsch – unter anderem Adriana, Alessandra und Candice sind perfekt durchtrainierte Models. Aber im Jahr 2010 drehte sich bei der Victoria’s Secret Fashion Show weit weniger um das Dessous-Label selbst als um die Top- Runway- Models dieses bestimmten Jahres. Es war tatsächlich eine Show über Models und nicht über Dessous. Die Dessous waren einfach „da“, um die Models zu schmücken. Das ist in Ordnung, aber es wurde zu einem Image-Problem für Victoria’s Secret. Ich werde keine Namen nennen, aber ich kann mir eine Reihe von 25 Top-Models vorstellen, die niemals in dieser Show hätten laufen sollen. Bei Lingerie-Models geht es nicht darum, was sie tragen; sie sind über ihr Body zur Schau gestellt. Bei den anderen Models dreht sich alles um das, was sie tragen und um ihr Gesicht. Ihr Körper ist auf dem Laufsteg normalerweise nicht für das Tragen von Lingerie gedacht. Victoria’s Secret verlor seine Mission aus den Augen, die eigene Dessous-Kollektion wurde schließlich nur ein Unterhaltungsereignis im Dezember. Es ist also keine Überraschung, dass sie ihre jährliche Show nicht mehr produziert.
Jede Victoria’s Secret Fashion Show war anders und spektakulär. Nur eine Handvoll Pressevertreter sind für die Show zugelassen und das war’s. Die Sicherheitsvorkehrungen waren strenger als im Weißen Haus. Wir fotografierten die Show einen Monat vor ihrer Fernsehausstrahlung Anfang Dezember eines Kalenderjahres. Der Shooting-Tag war ein langer und schwieriger Tag – er dauerte mindestens 14 Stunden. Die Show wurde zweimal durchgeführt, und wir durften sie zweimal fotografieren, oft aus einer etwas anderen Perspektive, die großartig war. Sie drehten die Show zweimal und ließen die Models folglich zweimal laufen, um Vorkehrungen zu treffen, falls ein Model auf dem Laufsteg stolpern sollte. Sie könnten den anderen Take bearbeiten, um das auszugleichen. Jedes Model hatte für seinen Look den Laufsteg für sich, die Unterhaltungsdarbietung konnte jedoch auch mit ihr auf der Bühne stattfinden – wie Justin Timberlake oder Katy Perry. Der Produktionswert und das Bühnenbild waren immer auf dem neuesten Stand der Theaterbühnengestaltung – wunderschön, atemberaubend und äußerst theatralisch.
Aus der Sicht eines Fotografen war das Fotografieren der Show immer eine große Herausforderung, insbesondere in den frühen Jahren der digitalen Fotografie. Die Show wurde im Fernsehen übertragen, daher auch aus der Perspektive der Fernsehkameras produziert und nicht aus der Perspektive eines Fotografen. Die Fernsehkameras verfügen über Linsenelemente, die bei schlechten Lichtverhältnissen ihre beste Leistung erbringen. Das schlechtere Licht sorgte für großartiges Fernsehen, aber in früheren Jahren war es für uns Fotografen schrecklich und oft frustrierend. Bei sich bewegenden Motiven (Models) ist man als Fotograf auf einen unteren Wert für die Verschlusszeit festgelegt, um Bewegungsunschärfe zu vermeiden. Wenn das Motiv nicht ausreichend beleuchtet ist und die Verschlusszeit zu niedrig eingestellt ist, um das schwache Licht auszugleichen, ist es unmöglich, die Bewegung in der Aufnahme festzuhalten. Und die Fotografie ist ruiniert. Früher konnten die Digitalkameras eine bestimmte Lichtempfindlichkeit nicht überschreiten, die solche schlechten Lichtverhältnisse ausgleichen konnte. So hörte man die Fotografen in unserem abgesteckten Bereich von ihren Plätzen schreien „Wo ist das Licht!?“ Die Standbilder sahen immer dunkel aus. Ich habe dieses Problem umgangen, indem ich mit einem Nikon 200 mm f2.0-Objektiv fotografiert habe, das auch bei schlechten Lichtverhältnissen einwandfrei funktioniert.
KALIFORNIEN – PALM DESERT, EL PASEO, 19. März 2014: Tia Shipman – Reality-Star, Schauspielerin, Model und zertifizierte Yoga-Lehrerin – läuft über den Runway des Star-Designers Michael Costello Couture-Modenshow für die Kollektion Herbst 2014 während des Project Runway auf der El Paseo Modewoche.
Yves Saint Laurent: »Das schönste Kleidungsstück für eine Frau sind die Arme des Mannes, den sie liebt. Aber für alle diejenigen, die dieses Glück nicht haben, bin ich da.«
Çiğdem Gül: Als Fotograf hast Du in den letzten 20 Jahren Schönheiten wie Sharon Stone, Janet Jackson, Pamela Anderson, Heather Locklear, Adriana Lima, Miranda Kerr, Heidi Klum, Rosie Huntington-Whiteley, Thia Shipman, Doutzen Kros, Penelope Cruz und Karolina Kurkova fotografiert. Was bedeutet „Beauty“ für Dich persönlich?
Arun Nevader: Das ist die große Frage, Çiğdem, zumindest für mich. Es ist anstrengend, eine komplette Modewoche zu fotografieren, was bedeutet, dass ich etwa 80 Shows, Backstages, Partys und andere besondere Ereignisse fotografiere. Es kann auch brutal, nervig, verstörend, enttäuschend und unversöhnlich sein, wenn ich ich den Shot vermasselt habe (was auch passieren kann). Aber wenn die ZuschauerInnen-Menge verstummt, die Lichter ausgehen und die Lichter des Laufstegs angehen, passiert mit jedem Laufsteg-Fotografen etwas. Die Welt bleibt stehen, wir hören auf, den Schmerz in unseren Gliedern zu spüren, unsere Augen weiten sich und wir verbringen die nächsten 17 Minuten damit, durch unsere Linse eine neue Welt wahrzunehmen – die wir nie wieder sehen werden. Ich liebe die vergänglichen und vorübergehenden Schönheitsblitze, die man nur einmal und nie wieder sieht. Das Fotografieren von Frauen auf dem Laufsteg ist für mich ein unvergleichliches Privileg – weniger wegen dem, was ich als Schönheit betrachte, sondern wegen dem, was ich in jedem auf dem Laufsteg gezeigten Look als eine endlose Neuinterpretation der weiblichen Subjektivität erkenne. Frauen sind in dieser Hinsicht viel interessanter als Männer – jeder Laufsteg-Look wird zu einer neuen Version der Weiblichkeit, die in einem idealisierten, festgehaltenen Moment zur Schau gestellt wird. Das Einfangen eines einzigartigen Moments der Schönheit ist die glückliche Belohnung. Aber die wahre Erfüllung liegt darin, die Vielfältigkeit der Identität zu verstehen, die der Laufsteg für einen Moment zum Leben erweckt. Manchmal kann man bei den Herrenshows diesen Ausgleich finden, aber bei mir kommt es weitaus seltener vor. Dies ist eine rein subjektive Meinung. Ich bin mir sicher, dass es anderen Fotografen ganz anders geht.
Zum Thema Schönheit: Menschliche Schönheit ist ausdrucksstark und verbindend pur. Sie verbindet Subjekt mit Subjekt, nicht Subjekt mit Objekt, auf eine Weise, die das Selbst erhebt und nährt. Es ist ein Moment, den wir innerlich durch das erleben, was wir vor uns sehen. Ich verbinde mich mit Ausdrücken, die ich glücklich und privilegiert sehe, besonders wenn ich eine Kamera habe. Fotografie ist eine Möglichkeit, diese Verbindung mit anderen zu teilen. Schönheit ist transformativ als der selbst gezeugte Ausdruck und die Anerkennung dessen, wer wir füreinander sind. Ich glaube, dass es fehl am Platz ist, Schönheit als objektspezifisch, materiell oder gar als Seinszustand zu betrachten, als wollte man sagen: „Das ist schön.“ Ja, das mag wahr sein, aber in mancher Hinsicht ist es nebensächlich. Wir verbinden uns mit einem Ort in uns selbst, nicht mit der Außenwelt. Schönheit ist kinetisch, nicht statisch – sie ist etwas, das passiert – wir spüren, wie sie uns überkommt. Es ist eine Wärme, die im Inneren leuchtet und durch die Gabe unserer Sinne sichtbar gemacht wird – für mich ist Schönheit ein inneres Licht, das durch das Sehen sichtbar wird. Es ist das, was uns weltweit, über Ozeane und Zeiten hinweg, sowohl an unsere Geschichte als auch an unsere Zukunft bindet. Wir alle spüren es oder haben die Fähigkeit, es zu fühlen. Jedes von Dir erwähnte Model hat seinen ganz eigenen Look und seine ganz eigene „Schönheit“. Diese Models sind Meister ihres Fachs und nicht einfach nur schöne Frauen. Wenn sie den Brenner einschalten, spüren wir diese kinetische Verbindung in uns auf eine Weise, die die menschliche Erfahrung bereichert.
Es gibt auch andere Wege, Schönheit zu definieren und darüber zu sprechen, aber ich spreche zu Dir als Laufsteg-Fotograf, der daran arbeitet, einen Label-Look einzufangen – Schönheit zu finden ist ein berufliches Risiko, das mit meinem Job einhergeht. Ich gebe zu, dass ich bei einigen Shows geweint habe, bei denen die Wirkung eines Label-Looks bei einem Model einfach überwältigend war.
NEW YORK – New York Fashion Week, 2018: Anna Wintour. Sie gilt als eine der wichtigsten und einflussreichsten Frauen in der Mode- und Medienbranche. Die britisch-amerikanische Journalistin ist seit 1988 die Chefredakteurin der US-amerikanischen Ausgabe der Vogue. Anna Wintour setzt Trends und fördert neue Designer. Sie entscheidet, welche Designer in der Vogue erscheinen. The Guardian nannte sie „Unofficial mayoress of New York City“ – also „die inoffizielle Bürgermeisterin von New York“. Die britische Journalistin hat großen Anteil am Erfolg von Designern wie John Galliano (Christian Dior) oder Michael Kors.
Anna Wintour: »Wenn Sie eine großartige Modefotografie ohne Kontext betrachten, wird sie Ihnen genauso viel über das erzählen, was in der Welt vor sich geht, wie eine Schlagzeile in der New York Times.«
Çiğdem Gül: Was sind die Highlights in Deiner Karriere als Modefotograf? Zum Beispiel das aufregendste Fotoshooting, der wichtigste Auftrag usw.? Mit welcher Berühmtheit hattest Du als Fotograf Deine außergewöhnlichste Begegnung? Bitte erzähle mir darüber.
Arun Nevader: Die Highlights meiner Karriere – die Liste ist sehr lang; Ich hatte in vielerlei Hinsicht großes Glück. Ehrlich gesagt, gibt es so viele außergewöhnliche Fotografen, die nie eine Chance bekommen. Leider ist der Maßstab für den Erfolg nicht das Talent, sondern der Zugang, der eher eine Frage von Glück und Chancen ist. Aber wenn ich ein paar großartige Momente auswählen müsste, dann könntest Du dazu alle Victoria’s Secret Fashion Shows zählen, die unvergesslichen Momente mit legendären Berühmtheiten, die 10 Jahre lang über das Telluride Film Festival berichteten – Peter O’Toole, Mickey Rooney, Claudia Cardinale, George Clooney, Jean Simmons, Werner Herzog, Laura Linney, Sean Penn, Daniel Day-Lewis, Ralph Fiennes, Penelope Cruz – die Liste lässt sich fortsetzen. Berichterstattung über das Sundance Film Festival, CineVegas, das San Francisco International Film Festival, über Menschen wie Isabella Rossellini, Ashton Kutcher, Mena Suvari und andere wie Sharon Stone, Warren Beatty und Kevin Costner. Es ist schwer zu wählen. Bei großartigen Fotoaufträgen: Einen ganzen Tag lang hinter den Kulissen des Cirque Du Soleil-Auftritts von Varekai mit der Schauspielerin Bai Ling zu fotografieren, war erstaunlich. Ich habe Hunderte von Backstage-Aufnahmen auf dem Fashion Week gemacht, aber die ersten Label-Looks für Oscar De La Renta vor einigen Jahren zu fotografieren, war definitiv mein Bestes, zusammen mit der Barbie-Show auf der New York Fashion Week 2009. Für Carolina Herrera war es kein Problem, in der ersten Reihe und hinter der Bühne zu fotografieren macht die Liste. Vor einigen Jahren maßgeblich an der Gründung der Island Fashion Week beteiligt zu sein, war eine völlig einzigartige Erfahrung, die ich vier Saisons lang fotografiert habe. Isländische Models sind einzigartig unter den Frauen der Welt und isländische Landschaften wirken wie von einem anderen Planeten. In den letzten 6 Jahren war ich Hausfotograf für „Art Hearts Fashion„, das etwa 150 Shows pro Jahr produziert, hauptsächlich von aufstrebenden Designern.
Zuletzt habe ich ein Team von Getty Images- Fotografen geleitet, um über die Jordanien Modewoche in Amman zu berichten, ein außergewöhnliches Ereignis, an dem ich hoffentlich wieder teilnehmen werde, wenn sie wieder stattfindet. Während ich vor ein paar Jahren im Rahmen der „Tokyo Fashion Week“ nachts auf den Straßen des Shibuya-Viertels in Tokio das schöne japanische Model Sumire Hayashi fotografierte, habe ich mich in Japan verliebt. Die Backstage-Auftritte von Betsey Johnson und Matthew Williamson waren unvergesslich, insbesondere weil um 10 Uhr morgens für alle endlos Champagner in Strömen floss. Es gibt zu viele Modenschauen, um sie alle aufzuzählen, aber die von Chado Ralph Rucci fallen mir sogar auch 15 Jahre später noch ein. Vor zwei Jahren flog ich von meinem Wohnort in Berkeley/Kalifornien nach New York, um eine 8(!)-minütige Modenschau für die sensationelle vietnamesische Designerin Phuong My zu fotografieren – ihre erste Brautkollektion. Für ihre 21 Label-Looks ließ sie außer mir nur drei Fotografen zu. Es war vielleicht die schönste Show, die ich je fotografiert habe, abgesehen von den beiden anderen Phuong My- Shows, die ich fotografiert habe – eine in Vancouver, Kanada und die andere in New York. Zuletzt muss ich noch die Laufstegschuhe für Christian Siriano und die Fingernägel für Creative Nail Design zählen, das Nägel-Design für die Shows „The Blonds“ und „Libertine“ in New York entwirft. Abgesehen davon, dass ich die pure Pracht einer von The Blonds produzierten Show miterlebt habe, kann ich Dir versichern, dass es für einen Laufstegfotografen keine größere Herausforderung gibt, als Fingernägel von Models zu fotografieren, die über den Laufsteg fliegen. Nachdem ich die Technik beherrsche, kann ich sagen, dass es wahrscheinlich meine beste Leistung als Fotograf ist, und glücklicherweise habe ich nicht allzu viele Konkurrenten, wenn es um das Fotografieren von Fingernägeln geht. Die Liste ist lang, Çiğdem, mit vielen Geschichten aus solchen Ereignisse und Gelegenheiten.
NEW YORK – NEW YORK CITY; 14. September 2015: Das Model läuft über den Runway für Threeasfour Frühlingskollektion 2016 auf Pier 59.
CALIFORNIA – BERKELEY, 2. März 2006: Jordan Robert Farmar ist ein ehemaliger israelisch-amerikanischer Basketballspieler, der in der National Basketball Association (NBA) spielte. In der High School wurde er 2003/04 zum High School-Spieler des Jahres der Los Angeles Times ernannt. Er spielte College-Basketball für die UCLA Bruins und war 2004–05 der Rivals.com National Freshman of the Year.
Arun Nevader »Ich bewundere die vielseitige Bandbreite des Intercultural Network For The Highly Gifted – sowohl in Bezug auf die von Dir und Deinem Team erfassten Themen als auch in Bezug auf die sorgfältig thematisierten menschlichen Profile. Für mich steht der Begriff `begabt´ vielmehr im Einklang mit meinem eigenen Streben nach Schönheit im Sinne von einer inneren Verbindung zu mir selbst und weniger die äußere Wahrnehmung einer Person oder eines Objektes.«
LOS ANGELES, 30. Oktober 2003: Smashbox Los Angeles Fashion Week – Susan Holmes Pre-Show Auftritt von Guns and Roses. Scott Weiland mit Duff McKagan, Slash und Matt Sorum.
Çiğdem Gül: Du bist derzeit an der kalifornischen Universität Berkeley Extension als Dozent für Informationsdesign tätig. Bitte erzähle mir mehr darüber.
Arun Nevader: Im Jahr 1999 verließ ich das Ph.D.- Programm in Berkeley, wo ich einen Abschluss in britischer Literatur des späten 18. Jahrhunderts machte. Ich erhielt ein Lehrangebot als Vollzeitdozent im Programm für technische Kommunikation von der Ingenieurschule der University of California, Berkeley, einer öffentlichen Forschungsuniversität in Berkeley/Kalifornien. Dort habe ich ältere Ingenieurstudenten unterrichtet und über einen Zeitraum von 10 Jahren fast 2.000 Kursprojekte in der Entwicklung neuer Technologien geleitet. Ich habe mich 2010 von Berkeley zurückgezogen, um einen Job als Systemingenieur bei einem Food-Truck-Unternehmen anzunehmen, das Subunternehmerarbeiten für ein neues Starbucks-Getränkewagenunternehmen erledigte. Wir haben die Markteinführung des Trucks (LKW) konzipiert und dies auf mehreren Universitätsgelände in ganz Amerika überwacht. Es war ein faszinierender und lohnender Job, der aber oft mit meiner Arbeit als Fotograf kollidierte, was ich natürlich nicht lange annehmen konnte. Ich verließ diese Position und kehrte 2015 an die Universität zurück, wo ich einen weiteren Lehrauftrag für technische Kommunikation an der UC Berkeley Extension annahm. Ich habe drei Jahre damit verbracht, drei neue Lehrveranstaltungen für das neue Online-Programm bei Extension zu schreiben, und jetzt unterrichte ich diese. Zuletzt habe ich unsere neue Lehrveranstaltung in Informationsdesign unterrichtet, einem Teilbereich des Grafikdesigns. In diesem Kurs bringe ich den Studenten bei, die Welt mit neuen Augen zu sehen. Ich bringe ihnen bei, „durch“ die „Dinge“ zu sehen, die wir in einem Design identifizieren können, und in die kompositorischen Elemente, aus denen diese Dinge bestehen — Farbe, Raum, Form, Linie, Textur und Größe. Wir untersuchen die archetypischen Designprinzipien und, wie Prinzipien auf diese Elemente durch eine oder mehrere visuelle Designtheorien wie Gestalt oder Semiotik einwirken, um ein fertiges Designprodukt zu erhalten. Die meisten meiner Studenten sind professionelle technische Redakteure, die sich in visuellem Design weiterbilden möchten. Es ist eine äußerst lohnende Lehrveranstaltung sowohl für die Schüler als auch für mich — denn alles dreht sich im Wesentlichen um Kunst. Was kann man daran nicht mögen? Mein Leben besteht also aus einer Balance zwischen Unterrichten und Fotografieren. Die Lehrveranstaltung findet das ganze Jahr über statt, und das Fotografieren nimmt zumindest vor der Pandemie etwa 12 Wochen im Jahr in Anspruch. Glücklicherweise ermöglicht mir der Online-Unterricht, die Lehrveranstaltung von überall auf der Welt aus durchzuführen. Ich habe Online-Lehrveranstaltungen in New York, Miami, Los Angeles, Vancouver, Tokio, Amman, Jordanien und anderswo abgehalten. Es ist schwer zu sagen, ob die gesamte Modenschau-Branche [wegen der gegenwärtigen globalen Covid-19-Pandemie] wieder so wird, wie wir sie kennen. Hoffentlich. Ich bin bereit, zurückzukehren, obwohl ich kein Problem damit habe, mich einfach in meinem Haus in North Berkeley zurückzuziehen, umgeben von Gärten, Bäumen und wunderschönen sanften Hügeln. Es ist sehr mediterran, wo ich lebe.
KALIFORNIEN – OAKLAND, 25. Februar 2015: Ausstellungseröffnung des US-Glaskünstlers David Ruth. David Ruth ist einer der ganz wenigen Künstler, die Schmelz- und Gussglas im architektonischen Maßstab herstellen. Ein Schlüssel zu seinen Leistungen im Glasbereich ist ein technisches Bewusstsein für den Gieß- und Schmelzprozess, das nur wenige erreichen können, das Ergebnis von Jahrzehnten von Studium und Studioerfahrung in der Kunst. Sein Glasatelier produziert heute ein bemerkenswertes Werk mit gegossenen Skulpturen und verschmolzenen Paneelen aus beispiellose Größe und Dicke und ein System großflächiger Polituren, das die komplexen Bilder im Inneren enthüllt.
Çiğdem Gül: Du arbeitest derzeit für einen zeitgenössischen spanischen Bildhauer und Künstler in Europa. Wenn die Lage in der Pandemie es erlaubt, wirst Du nach Europa reisen, um diese Werke in Europa zu fotografieren. Bitte erzähle mir mehr darüber.
Arun Nevader: Ich arbeite seit etwa drei Jahren in New York mit dem spanischen Bildhauer und Maler Angel Orensanz. Bisher habe ich etwa 1.000 Gemälde und Skulpturen in seinem Atelier fotografiert, die sich in den beiden obersten Etagen einer historischen neugotischen Kathedrale befinden, die er Anfang der 1980er Jahre in der Lower East Side von Manhattan gekauft hat. Heute ist es ein Aufführungs- und Veranstaltungsort, der bereits legendäre Modedesigner wie Alexander McQueen beherbergte. Orensanz arbeitet seit mehr als 50 Jahren an Kunstwerken im öffentlichen Raum in ganz Europa, mit großen Installationen in Spanien und Frankreich. Ja, ich werde hoffentlich 2022 nach Europa reisen, um die europäischen Stücke zu fotografieren. Anschließend erstellen wir ein Werkverzeichnis seines Werkes. Es soll ein spannender und wertvoller Beitrag zur Kunstwelt sein. Wenn man sein Werk betrachtet, könnte man sich das Leben der Seelen in einer Landschaft aus der Göttlichen Komödie vorstellen — Elemente von Blake, Goya und Turner, verwoben mit dynamischen Farben und Formbewegungen. Orensanz präsentiert eine einzigartige Bildsprache mit Bildern, die eine fesselnde und verträumte Energie menschlicher Interaktion zeigen — gleichzeitig transzendent und doch kollektiv und sozial, oft erhaben, suchend und auf eine höhere Ordnung hinweisend.
Vor etwa 20 Jahren verbrachte ich zwei Wochen in Köln/Deutschland und besuchte die jährliche Drupa-Konferenz, um mich über Print-on-Demand-Technologien für meine akademische Arbeit zu informieren. Ich wohnte in der Altstadt von Köln, direkt am Fluss, und kehrte jeden Tag mit dem Zug von Düsseldorf zurück, um bei „Hoffmans“ zu Abend zu essen – zweifellos eines der besten Restaurants, die ich kenne. Aber jenseits des Charmes der alten Welt und der Kopfsteinpflasterstraßen, die zur Donau führen, habe ich immer die außergewöhnliche Geistesgeschichte Deutschlands bewundert. Ich möchte unbedingt bald wiederkommen, um die Mercedes Benz Berlin Fashion Week zu fotografieren – wenn wir die Welt wieder auf den Kopf stellen können.
Ein letztes Wort zu meiner Fotografie: Ich habe mich immer als Pressefotografen gesehen, der über Unterhaltungsnachrichten berichtet. Modeveranstaltungen sind eine Dimension dieses reichen Feldes. Ich scheue mich vor Etiketten wie „Kunst“. Ich habe meine Arbeit nie als schöne Kunst gesehen, sondern als präzise Berichterstattung. Ja, ich glaube, dass ein Bild über seine Absicht hinausgehen kann, Qualitäten zu offenbaren, die wir in der Kunst sehen. Aber es ist die Ausnahme und unbeabsichtigt. Mir gefällt die Vorstellung sehr gut, dass meine Fotos wie die Modenschauen selbst sind – sie erscheinen in Zeitungen und Zeitschriften und sind dann wieder weg. Es gibt Trost und Verständnis, wenn man erkennt, dass Schönheit und ihre Mimesis in der Kunst vergängliche und momentane Phänomene sind, oder wie Wordsworth im elften Buch des Präludiums sagen würde, „Zeitpunkte“.
Çiğdem Gül: Lieber Arun, vielen Dank für das Interview. Durch unser Gespräch habe ich von Dir viel über die Hintergründe in der internationalen Modewelt erfahren. Ich bin sehr beeindruckt von Deiner Vielfalt, Deinen Begabungen, Deiner Sensibilität und Deinem Tiefgang. Deutschlands führende Fashion Week zieht von Berlin nach Frankfurt. Ich wünsche mir, dass Du irgendwann nach Frankfurt am Main kommst und hier in der Fashion Week die Shows fotografierst.
NEW YORK – NEW YORK CITY, 11. September 2010:
Zur Einführung der Rebecca Kudryavsky Frühjahrskollektion 2011 im Großen Ballsaal des Plaza Hotels treten Persönlichkeiten wie George Wayne, der Schauspieler Chris Noth und das Model Paula Devicqu auf.
Interview Seite 2 von 2 vom 30. April 2021. Um das Interview in der Originalsprache zu lesen, bitte hier anklicken.
Aus dem Amerikanischen Englisch übersetzt von © Çiğdem Gül – 16. Juli 2023
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Alle Fotografien wurden mit freundlicher Genehmigung des international renommierten Presse- und Modefotografen © Arun Nevader (Berkeley/Kalifornien) veröffentlicht.