Von M. B.
Nachdem ich nun gesehen habe, dass es einige Fragen dazu gibt, möchte ich gerne meine eigenen Erfahrungen beitragen. Mir ist klar, dass gerade im militärischen Umfeld, viele differenzierte Erfahrungen gemacht werden und je nach Persönlichkeit und Einsatz diese unterschiedlich ausfallen können.
Ich war acht Jahre bei der Bundeswehr, habe dort als Freiwilliger angefangen bin als Hubschrauberpilot positiv getestet worden und habe die Ausbildung nicht wahrgenommen (Berufsoffizier wollte ich nicht werden)
Ich war in drei Auslandseinsätzen (SFOR, KVM und KFOR, insgesamt über ein Jahr Auslandstage), habe dort Tod, Leid und Hass gesehen.
Bin dann als Oberfeldwebel aus dem Dienst planmäßig ausgeschieden.
Die ersten Jahre waren spannend, weil die Anforderungen keine geistigen, sondern eher körperlicher Natur sind. Das stellt uns HB’s vor eine Herausforderung wie jeden anderen Menschen auch.
Der IQ wurde bei der freiwilligen Aufnahme getestet und später bei der Offziersprüfung (in der OPZ) noch einmal. Bei der Offiziersprüfung wurde aufgrund des Ergebnisses dann der Studienwunsch beurteilt. War die Diskrepanz zwischen IQ und Anforderungen für das gewünschte Studium zu hoch, wurde es abgelehnt und man musste sich eine andere Fachrichtung aussuchen.
Bei der Freiwilligen Annahmestelle wurde auch ein IQ-Test durchgeführt, der darüber entschied zu welcher Waffengattung der Bewerber zugeteilt werden kann und es sollte dadurch herausgefunden werden, wer besondere Fähigkeiten für bestimmte Waffensysteme hat bzw. spezielle Aufgaben, wie z. B. Funker.
Bei der Fliegerpsychologischen Erstuntersuchung (Eignungsprüfung für Flieger) wurde als Maßstab immer das Ergebnis der letzten 5000 Bewerber genommen. Bei jeder Untersuchung, die 3,5 Tage dauerte, werden jeweils nur 4 Bewerber getestet. In den unterschiedlichen Kategorien musste der Bewerber kontinuierlich besser als 55% der letzten 5000 Bewerber sein. War der Bewerber in einer Kategorie schlechter, war die Untersuchung für ihn beendet und er konnte auch kein zweites Mal getestet werden.
Als HB in der Armee lernt man sich und seine Umwelt ganz anders kennen, da die HB einen dort nicht behindert, aber auch nicht zwangsläufig voran bringt. Ein Miteinander basiert dort eher auf archaischen Eigenschaften, wie Stärke, Ausdauer, Mut und Gehorsam. Die Lorbeeren, die es zu ernten galt, waren entsprechend – Ehre, Zusammengehörigkeit, Vertrauen.
Als HB’ler ist man durchaus in der Lage sich unterzuordnen und zu erkennen, wann man die Klappe zu halten hat. Auch wenn Befehle (die eigentlich Aufträge sind) beim ersten Blick vielleicht unsinnig erscheinen, so sind sie bei weiterer Betrachtung dann meist im Kontext gesehen sinnvoll.
Dieses Erkennen fiel einem dann oft leichter. In der übergeordneten Struktur zu denken – was von einem Vorgesetzten grundsätzlich gefordert war – fällt mit einer HB einfacher, da komplexe Strukturen Spaß machen.
Als HB’ler in der Armee ist es nicht ratsam sich hinter der üblichen Maske zu verstecken, da gerade dort der Zusammenhalt einer Gemeinschaft „gelebt“ und gefordert wird. Dabei wird sehr schnell klar, wer nicht authentisch ist und das grenzt denjenigen aus, da die Gemeinschaft (welche Größe diese dann auch immer hat) immer für die Gemeinschaft entscheidet. Diese Gruppendynamik ist in der Armee sehr ausgeprägt, da das Funktionieren einer Gruppe durchaus über das Leben der Einzelnen entscheiden kann. Heute umso mehr!
Grundsätzlich hat man als HB keine Probleme damit die Strukturen anzuerkennen, da wir erkennen können, dass ein System wie eine Armee nur funktionieren kann wenn eine Hierachie besteht und erkennen diese auch an. Anders verhält es sich natürlich mit den Entscheidungen anderer die sich auf einen auswirken, aber das ist dort wie überall so, nur das ich in der Armee (zumindest in der Bundeswehr) mehr Möglichkeiten habe gegen unmögliche Forderungen vorzugehen (Beschwerde, Soldatengesetz und Vorschriften)
Das ist zwar schon alles eine Weile her, aber ich denke grundsätzlich wird sich da nicht viel geändert haben. Ich freue mich auf Eure Fragen oder Erfahrungen.
© M. B.
Der Autor schreibt unter dem Kürzel „M. B.“. Sein richtiger Name ist der Gründerin und Moderatorin des Interkulturellen Netzwerkes für Hochbegabte, Çiğdem Gül, bekannt. Dieser außergewöhnliche und beeindruckende Gastbeitrag ist mit Erlaubnis des Autors veröffentlicht. Der Autor möchte bei den Lesern allerdings nicht den Anschein erwecken, dass diese Erlebnisse eine Grundsätzlichkeit sind, sondern sie spiegeln allein seine persönlichen Eindrücke und Erlebnisse wider.
Ich danke Herrn M. B. ganz herzlich !
Çiğdem Gül