Bild / Picture 1 thanks to Michael van Krücker (Krefeld/Germany)
Michael van Krücker ist ein international bekannter Pianist und Komponist. Er lebt und arbeitet in Krefeld/Deutschland.
Den Klavierunterricht erhielt Michael van Krücker zunächst bei Prof. Ferdinand Bruckmann. Danach folgte das Musikstudium an den Musikhochschulen von Düsseldorf und Rotterdam mit Auszeichnung.
Michael van Krücker ist Juror in nationalen und internationalen Musikwettbewerben, gibt Kurse im In- und Ausland und hält Vorträge. Zugleich ist er künstlerischer Leiter einiger Konzertreihen sowie künstlerischer Berater des 1. Internationalen Jörg Demus Festival 2017 in Freiburg/Breisgau.
Darüber hinaus wirkt Michael van Krücker häufig bei Rundfunk- und Fernsehaufzeichnungen mit und hat zahlreiche CDs für die Labels RCA Red Seal, Sony/BMG, Koch Schwann, Berlin Classics, NCA und NM Classics eingespielt. Darunter befinden sich viele Weltersteinspielungen. Er hat sich dabei vor allem darauf konzentriert, in Vergessenheit geratenes Repertoire aus der klassisch- romantischen Ära einem breiteren Publikum wieder zugänglich zu machen. So hat Michael van Krücker neben Klaviermusik von Alexander Dreyschock (1818-1869) und Friedrich Kalkbrenner (1785-1849) erstmals sämtliche Klavierwerke von Friedrich Nietzsche (1844-1900) auf CD eingespielt und in der Oxford University im Rahmen 17. Internationalen Konferenz der Friedrich Nietzsche Society einem breiten Publikum vorgestellt. Während der Bayreuther Festspiele gab Michael van Krücker anlässlich des Richard-Wagner- Jubiläums einen Nietzsche-Rezitationsabend.
Michael van Krücker ist Synästhetiker und erlebt Musik als eine Verbindung von Klängen mit Farben.
Von Luisa Meid – 04. August 2018
INTERVIEW
Luisa Meid: Herr van Krücker, Sie sind klassischer Musiker und Synästhetiker. Was ist Synästhesie?
Michael van Krücker: Synästhesie ist die Verbindung von verschiedenen Sinneseindrücken. Wenn ich etwas höre, habe ich sofort Farben als Verbindung in meiner Vorstellung und in meinem Kopf. Das gibt es nicht allzu oft. Ich glaube, nur vier Prozent aller Menschen empfinden auf ähnliche Art und Weise.
Synästhetiker verbinden bestimmte Wahrnehmungen und dadurch ergibt sich eine Sinnesqualität, die nicht so viele Menschen erleben können. Für mich persönlich ist es einfach normal, genauso wie ich gehe oder spreche.
Luisa Meid: Wie haben Sie herausgefunden, dass Sie Synästhetiker sind?
Michael van Krücker: Mit einer Bekannten war ich in einem Konzert. Wir haben eine große Brahms-Sinfonie gehört und ich habe danach zu ihr gesagt: „Ich finde, das Orchester hat genau diesen zauberhaft grünen Klang von Brahms herausgearbeitet.“ Und sie dreht sich zu mir um und sagt: „Bitte?“
„Hast du nicht gemerkt, wie schön das Grün war? Das war so ein tiefes Grün mit einem speziellen Glanz auf der Oberfläche“, habe ich ihr gesagt. Und sie hat mich nur mit großen Augen angeguckt. Sie hatte keine Ahnung, was ich meine. Ich habe mich dann schlau gemacht und nachgeforscht, was da überhaupt in meinem Kopf passiert. Bei mir ist das einfach so: ich höre Musik und schon sind die Farben da.
Luisa Meid: Sie sagen, Sie haben auch eine Farbe im Kopf bei Stimmen? Was hat meine Stimme denn für eine Farbe?
Michael van Krücker: Bläulich. Ich habe die Angewohnheit, beim Telefonieren herum zu gehen. Gerade sehe ich oben auf dem Regal einen Ordner und dieser hat ein dunkles Blau. Genau so ist die Farbe Ihrer Stimme.
Luisa Meid: Dachten Sie, dass jeder Mensch Farben sieht, wenn er Klänge hört?
Michael van Krücker: Ja, wenn Sie etwas sehen, zum Beispiel ein Bild, und Sie gehen davon aus, dass das jeder auf genau die gleiche Art und Weise sieht. Aber es gibt auch Leute, die sehen bestimmte Dinge einfach nicht oder komplett anders. So gibt es ja auch eine Rot-Grün-Blindheit, bei der manche Menschen eine ganz andere Farbe sehen.
Luisa Meid: Was hat die Synästhesie für einen Einfluss auf Ihr Leben?
Michael van Krücker: Wenn ich ein Instrument vor mir habe, es vorher nicht gekannt habe und nun teste, dann stelle ich mir vorher eine Farbe vor und wie dieser Klang sein könnte. Und wenn alles perfekt getroffen ist, dann ist es natürlich wunderbar.
Luisa Meid: Gibt es auch unangenehme Farben? Klänge, bei denen die Farben nicht so schön sind?
Michael van Krücker: Ja. Das gibt es auch. Es ist mir auch schon passiert, dass ich auf einem Instrument gespielt und gedacht habe: „Um Gottes Willen, was mache ich nun und wie komme hier wieder heraus?“
Luisa Meid: Sie sagen, dass die Synästhesie völlig normal für Sie ist. Können Sie sich denn vorstellen, dass die Farben aus Ihrem Leben verschwinden?
Michael van Krücker: Nein. Das wäre genauso, wie wenn man Ihnen sagen würde, Sie können nicht mehr atmen. Dann hätte man keine Luft mehr. Es ist normal, dass ich Farben im Kopf habe, sobald ich irgendetwas höre.
Es ist aber auch so, dass sich die Farben ändern und kleine Figuren und Muster entstehen. Ähnlich einem Regenbogen. Das wäre so, als würde mir ein Sinn genommen. Für mich ist das alles sehr eindeutig, natürlich und klar. Also wenn es nur noch weiß und schwarz gäbe, dann wäre ich doch schockiert.
Luisa Meid: Welche Farbe hat denn beispielsweise die Musik von den Beatles?
Michael van Krücker: Also „Yesterday“ hat für mich ein Lila mit Dunkelrot. Das sind zwei gemischte Farben. Die gehen herrlich ineinander über.
Luisa Meid: Finden Sie ein Lied nicht schön, wenn Ihnen die Farben darin nicht gefallen?
Michael van Krücker: Da muss ich noch einmal zur Klassik übergehen. Bei manchen Musikern und Komponisten, die ich schon lange kenne und höre, habe ich bestimmte Farben im Kopf, die sich abgespeichert haben. Wenn diese Farben bei einer Interpretation dann nicht erreicht sind, dann bin ich ein bisschen ratlos. Mozart ist für mich in einigen Werken dunkelbraun oder schwarz. Wenn diese Farben nicht erreicht sind, denke ich: „Was ist da jetzt passiert?“ Obwohl es durchaus sehr schön musiziert ist.
Luisa Meid: Haben Sie in der Populärmusik ein Lieblingslied, von dem Sie die Farben nennen können?
Michael van Krücker: Jetzt muss ich kurz nachdenken. Ich finde zum Beispiel Bruno Mars sehr interessant. Oder Adele. Sie hat eine zauberhaft rauchige Stimme und ich finde sie sehr überzeugend. „Someone Like You“ zum Beispiel ist für mich in den Farben des Regenbogens. Sehr bunt, viele verschiedene Farben, die ineinander laufen.
Luisa Meid: Wenn jemand wie Sie immer Farben im Kopf hat: Haben Sie dann auch eine Lieblingsfarbe?
Michael van Krücker: Blau, Orange, manchmal auch Gelb. Ich denke, es kommt immer auf die unterschiedlichen Schattierungen an. Es gibt auch schöne Rotfarben, Orange- und viele verschiedene Blautöne, die ich sehr schätze.
– Ende –
Das Interview von Frau Luisa Meid ist auch hier zu lesen.
Das Interview und das Foto wurden mit freundlicher und ausdrücklicher Genehmigung von Herrn Michael van Krücker veröffentlicht.
Webseite von Herrn Michael van Krücker:
https://www.michaelvankruecker.de/deutsch/%C3%BCber/