© Mit Genehmigung des Fotografen Oscar Picazo (Las Vegas/USA) / © Courtesy of Oscar Picazo (Las Vegas / U.S.)
Von Dir aus gesehen bin ich Du
Von Çiğdem Gül – 28.07.2017
Die Welt ist das, was wir der Welt spiegeln. Wie es in uns aussieht und sich anfühlt, das spiegelt uns unsere Umgebung wider. Wir ziehen in unsere Wahrnehmung, in uns und in unser Umfeld das, was wir als `Hausaufgabe´ oder (Lebens-)Aufgabe noch nicht erledigt haben. Also Trauer im Inneren bringt Trauer im Außen. Freude im Inneren ist Freude im Außen. Chaos im Inneren ist Chaos im Außen. Bei fehlender Selbstliebe im Inneren kommt selten Liebe von außen etc. Die Spiegelung gilt auch für das Verliebtsein und für die Liebe.
Wir verlieben uns eigentlich nie in eine reale Person, sondern in unser inneres Abbild dieser Person.
Andere Menschen spiegeln uns selbst wider. Sie spiegeln unsere eigenen Anteile, die wir z. B. an uns wahrnehmen, vermissen und für uns wünschen. Es läuft in uns ab, was wir im Außen wahrnehmen. Wir füllen unser inneres Abbild in den Körper (Hülle) eines potentiellen Partners, der uns gefällt. Wir verlieben uns in einem Menschen, von dem wir glauben, dass er unsere Bedürfnisse befriedigen kann. Ja, indem wir diesen besonderen Menschen begegnet sind, begegnen wir uns selbst und spüren, wie sehr wir diesen Menschen lieben, weil er uns unsere Selbstliebe und positiven wie ersehnten Anteile spüren lässt. Umso schöner ist es, wenn die Gegenwart eines bestimmten und besonderen Menschen für uns Heimat bedeutet, bei dem wir uns Zuhause fühlen. Jedes Gespräch mit diesem Menschen ist für uns ein seelischer Seychellen- Urlaub, bei dem wir die positiven Energien fließen… unsere Seele fallen lassen und innerlich auftanken.
Wenn wir begreifen, dass wir alle ein Spiegel füreinander sind, dann verstehen wir auch, dass das, was in unsere Wahrnehmung kommt, in Resonanz geht. In meinem Da-Sein mit dem, was gerade geschieht, wird es mir jetzt möglich zu erkennen, wie ich einen besonderen Mann aus meinen Vorstellung heraus tief anschaue und einordne. Erst wenn ich meine inneren Zustände beginne, tief zu beobachten, entsteht für mich die Freiheit, auszuwählen, womit ich in Resonanz gehen will. Für Inneres hat jeder von uns selbst Verantwortung zu tragen.
Wir haben verlernt, zunächst uns selbst zu erobern, bevor wir uns auf die steinige Partnersuche begeben.
Wie erobern wir uns selbst?
Indem wir zunächst uns selbst lieben und mit uns selbst `flirten´.
Erst wenn man lernt, in Selbstliebe zu investieren, kann man aus diesem Kreislauf herauskommen. Jeder von uns hat seine/n eigene/n Weg/e, sich selbst die Geborgenheit zu geben. Der beste Weg ist es, das eigene innere Kind zu lieben, ihn gut zu behandeln und ihn in der Entwicklung zu unterstützen. Ein weiterer Weg könnte sein, dass man neben der eigenen Beziehung zu einem geliebten Menschen die Geborgenheit als Ausdrucksmittel in der Kunst, Musik, Literatur, Philosophie, Psychologie etc. . findet. Dann hätte die Geborgenheit auch die psychische Bedeutung für einen selbst.
Jede Beziehung, die wir neu eingehen, ist also ein bestimmtes Thema und eine Hausaufgabe im Leben, an denen wir noch nicht gearbeitet haben. Und wenn ich selbst fest wie ein Fels in der Brandung und klar wie ein stiller See bin, wird das weitgehend Auswirkungen auf alles haben, was mich umgibt.
Sich-verlieben ist Anspruchsschein auf Geborgenheit. Wenn sich das Empfinden der Geborgenheit beim Verliebtsein nicht einstellt, so sucht man(n) sich das nächste Objekt bzw. Hülle, um sich zu verlieben mit der Hoffnung, sich endlich geborgen zu fühlen. Menschen, die keine Bindungsfähigkeit haben, bleiben bei der Suche, auch wenn sie ein potentielles Wesen, das ihren Suchmustern entspricht, finden. Sie können die Geborgenheit jedoch nicht finden. Bei manchen Menschen ist das ein Never-Ending-Story, so dass man in kurzen Zeitabständen von einer Hülle zur Nächsten verliebend oder nicht verliebend hüpft, und statt Geborgenheit und Liebe nur Sex findet. Je mehr wir unsere versteckten Beziehungsmuster erkannt und verstanden haben, und je mehr wir innerlich mit Themen und Wunden aufgeräumt, sortiert, geheilt haben und wir selbst reflektierend sind, desto höher ist die Chance, eine gesunde Beziehung auf Augenhöhe zu führen.
Die Kunst besteht darin, dem geliebten Menschen Raum zu lassen und zugleich ihm nahe zu sein. Eine Beziehung kann ein Weg zur inneren Befreiung werden. Aus dem Herzen und aus der Schöpfungstiefe entstehen ungeahnte Wege.
© Çiğdem Gül