Sascha Atrops: Hochbegabte und Smalltalk 2


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Smalltalk ist sozialer Kitt.

Es geht nicht um das Thema, sondern es geht darum zusammen zu stehen, sich gegenseitig zu bestätigen und
damit eine Verbindung aufzubauen.

Wir sind uns über das Wetter einig, Schumacher wird wieder Weltmeister, die Deutschen gewinnen den Titel und ist das beste Bier der Welt. Wir sollten uns mal privat treffen. Intelligente Menschen wünschen sich Bestätigung genauso wie alle anderen, aber worin sollte er in einem solchen Gespräch bestätigt werden? Intelligente Menschen interessieren sich häufig nicht für Sport, ist das Wetter gut fliegen die Pollen, regnet es, kann man frei durchatmen und Bier behindert durch den Alkohol das Denken. Außerdem ist Smalltalk einfach nur inhaltsleer und langweilig. Sie fallen dann als sozial ungeschickt auf, weil sie keine Antworten oder Meinungen auf diese Themen haben, bei denen nun wirklich jeder eine Meinung haben muss. Was kann man mit jemanden anfangen, der sich nichtmals für den lokalen Fussballverein interessiert, wobei der aber doch Thema des Abends ist, bei dem man ein leckeres Bier trinkt, natürlich von ? Du bist doch kein Mensch, wenn Du nicht über die aktuelle Staffel von “Let’s Dance” Bescheid weißt oder dass aus DSDS rausgeworfen wurde. Warum kann man mit Dir nicht über die Preisliste des lokalen Friseurs diskutieren und wie oft man dahin muss und welchen Preis man dann bezahlt. Welcher der Angestellten macht den Scheitel links, welcher rechts? Und die Neue, die schneidet ja viel zu kurz und hast Du mal die Finger von der gesehen? Sehr intelligente Menschen bemühen sich häufig nicht mal um Smalltalk. Die sagen dann auch oft frei heraus, dass sie den Quatsch ablehnen. Hier mangelt es nicht nur an sozialem Kitt, hier bekommt man auch noch erklärt, dass man ein Idiot sei. Wenn das Gegenüber einem erklärt, dass die Themen, die einen beschäftigen, das Gegenüber nicht interessieren, weil es trivaler Blödsinn sei, so ist das in etwa das Gegenteil von sozialem Kitt. Da muss man erstmal mit klarkommen. Oder man distanziert sich. Letzteres dürfte der Regelfall sein. Gleichzeitig ist es für einen intelligenten Menschen oftmals schwierig Menschen zu finden, die sich erstens für komplexe Themen interessieren und im Idealfall auch noch für die gleichen, so dass man sich auch austauschen kann und zweitens überhaupt in der Lage sind, einen Austausch zu leisten. Hier kommt zum einen die Fähigkeit ins Spiel das Thema überhaupt in dem Maße zu überblicken, wie auch das Verständnis und die Geduld zu besitzen, wenn man ein ganz klares und offensichtliches Argument für seine Position äußert, zu akzeptieren, dass das Gegenüber deswegen seine Meinung nicht spontan ändert, sondern sich für das Argument scheinbar überhaupt nicht interessiert. Das muss ja wohl ein Idiot sein, wenn er so ein klares und offensichtliches Argument einfach ignoriert.

Ein intelligenter Mensch hat das Offensichtliche in der Regel vorab durchdacht, bevor er seine Meinung äußert. Das Offensichtliche ist also in der Regel mit intelligenten Menschen keine Diskussionsgrundlage. Es ist ja schließlich offensichtlich. Man muss ich also in den Details verfangen, um einen intelligenten Menschen aus der Reserve zu locken und ihn für sich zu interessieren. Wölfe töten Tiere, also wenn wir Wölfe töten, haben wir mehr Tiere in der Natur. Offensichtlich. Wölfe töten Tiere, die Pflanzen fressen, also wachsen mehr Pflanzen. Die Diversität von Pflanzen nimmt zu, es kommen mehr unterschiedliche Tiere, weil ein breiteres Nahrungsangebot besteht, die Pflanzen festigen die Böden, die gefestigten Böden helfen gegen die Erosion, es bilden sich Tümpellandschaften, es kommen noch mehr Tiere. Der Wolf gehört zur Natur, sorgt für mehr Naturdiversität und das sorgt für mehr Tiere, also auch für mehr Natur. Nicht ganz so offensichtlich. Ein einfacher Mensch wird in diesen Details kaum ankommen. Der hat ein klares und offensichtliches Argument für seine Meinung und der andere redet einfach nur alles kaputt. Menschen, die sich mit Details beschäftigen, sind Klugscheißer oder Korinthenkacker. Das interessiert doch keinen. Keine gute Basis für eine Zusammenarbeit. Der einfache Mensch kann nun wieder zum Smalltalk übergehen, der intelligente Mensch steht isoliert da und ist auch nicht daran interessiert über das Wetter zu sprechen. Man guckt auf die Wetter-App, was gibt’s da zu reden!? Meiner Meinung nach scheitert es in der Regel nicht an der Intelligenz der normalen Leute, sondern nur am Desinteresse, sie einzusetzen. Die Frage warum das weibliche Kind einen sachlichen Artikel hat (das Mädchen) ist ein schönes Beispiel alltäglicher Ungereimtheiten, die die meisten Menschen einfach so hinnehmen. Vielen fällt es sogar auf, aber nur wenige fragen sich, was das korrekte deutsche Wort für weibliches Kind ist und fangen an zu recherchieren. Smalltalk ersetzt Neugier. Geht man zu einem intelligenten Menschen und sagt “Zeig mir etwas” oder “Lass uns zusammen etwas herausfinden”, hat man das Level von Smalltalk erreicht, das man für einen intelligenten Menschen braucht. Aber dann muss man halt auch mitziehen und das bedeutet, dass so eine Unterhaltung nicht nach 5 Minuten das Thema wechselt. Das kann dann auch mal ein paar Jahre dauern.

 

© Sascha Atrops

Diplom-Informatiker
Software-Entwickler

 
 
 

Foto / Picture thanks to © Sascha Atrops (Cologne/Germany)


 
 
 


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2 Gedanken zu “Sascha Atrops: Hochbegabte und Smalltalk

  • E.B.

    Stefan ich habe den Text anders aufgefasst…
    Das Schlimme ist nur das in der Gesellschaft die Logiker eher als behindert angesehen werden: „Asperger“ z.B. Ich frage mich ernsthaft was so „Sozial“ an Smalltalk sein soll. Zeit wird verplempert, Intrigen werden gesponnen, es wird geflunkert was das Zeug hält usw. Meistens spielt auch Alkohol eine Rolle- die sozialen Menschen brauchen ihn wohl um sich in sozialer Gesellschaft wohl zu fühlen.

  • Stefan

    Ich finde das ist ein sehr guter Artikel, der einiges auf den Punkt bringt.
    Gerade das Beispiel mit den Wölfen habe ich vor ca. 2 Wochen, selbst fast genau so erlebt.
    „Wölfe muss man schießen, damit sie keine Tiere aus Zuchtherden reißen können. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder Züchter seine Herde schützen müßte?“
    Gegenargumente wurden gar nicht erst angehört, sondern sofort das Thema auf das Wetter der nächsten Tage gelenkt.
    Gut, dann eben nicht.

    Ich habe das jahrelang nicht verstanden, warum die Gespräche so verlaufen sind.
    Jetzt weiß ich es.

    Danke für den Artikel.